Anstatt, wie es sich am Tag Eins nach der WM gehört, ein Fazit zu ziehen, bin ich in Gedanken noch immer beim Sonntagabend und hadere mit Zizous Schicksal. Vielleicht, so fantasiere ich vor mich hin, sollte man eine Mikrofonüberwachung auf dem Spielfeld einführen. Und wer dann, für alle hörbar, die Schwester seines Gegenspielers beleidigt, wird für ein Spiel gesperrt - bei der Mutter wären es sogar zwei.
Außerdem, wenn ich schon bei den Konsequenzen bin, die ich aus diesen vier WM-Wochen gerne ziehen würde: Ich bin für eine Verkürzung der Verlängerung. In Zukunft sollte grundsätzlich nach der 118. Minute abgepfiffen werden. Auch darüber, den deutschen Nationaltrainer gesetzlich zum Weitermachen zu verpflichten, wenn mindestens 51 Prozent aller Fußballfans das so wollen, könnte man nachdenken.Und zusätzlich sollten wir regelmäßige Flaggenschwenkgedenktage- und Autofähnchenflatterwochenenden einführen, zur Steigerung des Wir-Gefühls in unserem Land. Amerikanisches Bier muss hingegen für alle Zeit aus den deutschen Stadien verbannt werden.
Genug polemisiert. Ganz ernsthaft resümiert bin ich fasziniert, begeistert und erschrocken zugleich. Darüber, wie sehr mich die Droge Fußball vier Wochen lang in ihrem Bann gehalten hat. Es wird mir schwer fallen, mit einem ebenso schwachen wie ostwestfälischen Substitut gegen die WM-Entzugserscheinungen anzukämpfen (Dass ich darunter leiden werde, hatte sich schon an den spielfreien Tagen gezeigt). Spätestens in vier Jahren, soviel ist sicher, brauche ich einen neuen Schuss.
Großartige Idee - dann bräuchten wir in Zukunft auch keien Lippenleser bemühen ;-))
Fiona Flanke am 11.07.06 10:45
Super ... aber in den Bundesligastadien braucht man dazu meist kein Mikrofon - das tausendfache ... "Hu- Hu- Hu- Hurens...", "Schiri, du A...loch", "Gelbe Karte, rote Karte ... raus die Sau ..." hört man auch ohne. Ich hatte ja mit was viel Schlimmerem gerechnet als dem (nicht nur in Italien) beinahe zum Alltagsgebrauch gehörenden. Hat wirklich jemand geglaubt, dass es *auf* dem Platz zivilisierter zugeht als auf der Tribüne? Willkommen auf der Erde.
Clemens am 11.07.06 15:21
„Adieu Le Bleu, Adieu Le Bleu“, skandiert eine Gruppe von Italienern, als sie Alain und seinen auf französisch getrimmten Wagen auf der Friedrichstraße erblicken. Doch sie haben nicht mit dessen Schlagfertigkeit gerechnet. Flugs zückt der in Berlin lebende Franzose eine Packung Taschentücher: „Schenk isch Eusch, ihr werdet es brauchen, wenn Ihr ´eute Abend ´eult“. Dann macht er sich zusammen mit drei Freunden und einem original gallischen Hahn auf den Weg ins Berliner Olympistadion. Doch der Gockel darf nicht mit rein, weshalb Alains Freund auch ziemlich zickig ist: In Leipzig seien die Ordner noch ziemlich kulant gewesen, erzählt er mir, doch nachdem sich der Tierschutzbund empört habe, dass ein Stadion nicht zum natürlichen Lebensraum eines Gockels gehöre, wurde auch die FIFA hellhörig. Jetzt hat der Hahn Stadionverbot. Ist allerdings fraglich, ob das wirklich zum Wohle des Hahns geschehen ist. Der muss die 90 Minuten jetzt nämlich unter der Haube des VW Käfers verbringen.
Erst haben sie sich im Morgengrauen schwarzrotgold geschminkt, dann den selbstgemalten Plakaten den letzten Schliff verpasst. Dann mussten sie sich ihren Platz vor der Bühne hart erkämpfen und harrten mit stoischer Ausdauer fast vier Stunden in der Sonne aus. Doch als die deutsche Mannschaft dann endlich die Bühne betritt, sehen die vor hysterischer Schreierei schon heiseren Mädchen nur eins: Eine ganze Reihe unterschiedlich schöner Fotografen-Popos. Liebe Mädels, es tat mir wirklich sehr leid, dass Ihr die meiste Zeit nicht Jürgen ins Gesicht sondern mir auf den Allerwertesten gucken musstet. Aber ich konnte nichts dafür, dass die Organisatoren uns ausgerechnet direkt vor Euch plaziert haben. Und mal im Vertrauen: Habt ihr wirklich geglaubt, Fotografenschubsen und Reporterkneifen würde Euch wieder freie Sicht verschaffen? Das nächste Mal, spätestens 2008, werfe ich alle meine guten Manieren über Bord und wehre mich!
PS: Für dieses Mädchen geht es nach dem Auftritt der Nationalmannschaft nur um eine Frage: Wie verhindere ich, dass Blumen anfangen zu verwelken? Schließlich bekommt man nicht aller Tage einen Blumenstrauß aus der Hand von Bastian Schweinsteiger:
Fast immer in den letzten Wochen habe ich mich aus dem ganz normalen Getümmel gemeldet, war dort, wo auch alle anderen Fans waren. Doch heute konnte ich der Versuchung nicht widerstehen, unsern Jungs und Jürgen mithilfe meiner WM-Akkreditierung ganz nah zu kommen. Vom so genannten Pressegraben aus sah ich quasi aus der ersten Reihe die übernächtigten Augen Bastian Schweinsteigers hinter seiner Sonnenbrille, beobachtete, wie Gerald Asamoah seinem Lieblingsmusiker Xavier Naidoo huldigte und musste schmunzeln, als Oliver Neuville die "Ausziehen, Ausziehen!!!"-Aufforderung der weiblichen Fans spontan bei einem Teamkollegen umsetzen wollte - doch David Odonkor wehrte sich erfolgreich gegen Neuvilles "Handgreiflichkeiten". Eine gute Stunde lang taten 500.000 Menschen vor dem Brandenburger Tor einfach so, als sei in Wirklichkeit Deutschland Weltmeister geworden.
PS: Eine kleine Auswahl der Fotos findet sich hier (nicht alle sind von mir)
Bundesweit ging durch die Presse, dass es für Berliner Polizisten eine Dienstanweisung gibt, die das Flaggezeigen an Dienstfahrzeugen höchst offiziell wie bürokratisch unterbinden soll. "Ham we nüscht von mitbekommen, muss wohl auf dem Dienstweg verschütt jegangen sein" lautet der verschmitzte Polizistenkommentar in der Nähe der Berliner Kastanienallee. Fast trotzig wird dann die Fahne an der Polizeitransportertür nochmal glattgestrichen. "Außerdem", ergänzt eine Kollegin spitzfindig, "ist doch nur das Anbringen von Fahnen außen am Fahrzeug untersagt..."
Diese Dienstanweisung ist schon Korrekt, aber Gott sei Dank gibt es auch hier Menschen, die den Text genau lesen und entsprechend auslegen. Find ich toll...
Stefan Szabo am 09.07.06 11:37
Wir haben gestern ein Polizeiauto mit einem weißen Stück Papier im fenster gesehen, das mit drei waagerechten Linien und der Aufschrift
schwarz
rot
gold
versehen war.
Klasse!
Andrea am 10.07.06 23:40
Zumindest die Berliner widerlegen an diesem Samstagnachmittag all diejenigen, die glaubten, mit der guten Stimmung in Deutschland sei es nun vorbei. Bereits sechs Stunden vor dem Stuttgarter Spiel beherrschen Deutschland-Trikots und Deutschlandfahnen schwenkende Fans das Straßenbild auch fernab der Fanmeile. Sogar in der kleinen Friedrichshainer Seitenstraße, wo mein Hotel liegt:
Carsten, einer meiner beiden WM-Herbergsväter in Berlin, machts`s richtig: Schon jetzt hat er die Weichen gestellt, um auch beim nächsten Mal ganz nah dabei zu sein, wenn Deutschland erneut nach dem Pokal greift. Seinen Job in Berlin hat er gekündigt, im Herbst geht`s nach Kapstadt, wo er dann als Betriebswirtschaftler bei einer Nonprofit-Organisation arbeiten wird. Und wenn alles klappt, wie er es sich vorstellt, will er in Südafrika bleiben - zumindest bis 2010.
PS: Heute morgen, während Dirk und ich am Frühstückstisch nochmal die zurückliegenden vier Wochen Revue passieren ließen, machte sich Carsten im Auftrag eines Freundes auf den Weg in ein Berliner Nobelhotel. Dort drückte ihm ein joggingbehoster Ebay-Kunde ohne mit der Wimper zu zucken 850 Euro für eine Finalkarte in die Hand. Wer soviel Geld für 90 Minuten Fußball ausgibt, muss verrückt sein - oder, wie in diesem Fall, Engländer...
Es hat geklappt, diese Nacht lasse ich mich als Fan „hosten“. Gleich nach meiner Ankunft in Berlin habe ich mich auf eines der zahlreichen Last-Minute-Angebote für eine Fußball-WM-Privatunterkunft gemeldet. Wenig später nehmen mich Carsten und Dirk an der Tür ihrer Ostberliner Altbauwohnung "in the heart of Prenzlauer Berg" in Empfang. Die Beschreibung
„The flat is in a great old building whereas the flat itself is renovated with much love for the detail.“
klang nett und hatte mich bei der Internetsuche überzeugt, auch wenn
das Konkurrenzangebot einer Westberliner WG
fast noch verlockender klang („In der Küche steht ein KICKERTISCH in sehr gutem Zustand.“). Jetzt sitze ich in meinem gut 20 qm großen Zimmer, in dem noch vor wenigen Tagen drei Schwedenfans gewohnt haben: Gebürtige Chilenen aus der schwedischen Provinz, die im Glauben nach Berlin kamen, ein ganz normales Hotel gebucht zu haben. „Als ich, vom Abend zuvor noch ziemlich verstrahlt, die drei am Flughafen abholte“, erzählt Carsten, „wurden die erstmal ganz schön nervös“.
Ribbeck, Rudi, das Lastminute-Tor gegen Polen, positiver Patriotismus und der von uns dreien parallel live im Dortmunder Stadion erlebte Schockzustand in der 119. Minute – in nicht einmal 30 Minuten, die wir zusammen vorm Fernseher fachsimpeln, tauschen wir uns über die wirklich wichtigen Dinge im Leben aus. „Ist ein bisschen so, als wenn einen die Freundin verlassen hat“ zieht Dirk sein Resümee der vergangenen drei Tage.
Wirklich schade, dass ich mich für die kommenden zwei Nächte schon vor längerer Zeit im Hotel eingebucht habe.
Anders als ursprünglich geplant bin ich bereits einen Tag früher nach Berlin gefahren. Jetzt noch spontan ein freies Hotelzimmer zu finden gleicht der Suche nach einem leckeren Bier in einem WM-Stadion. Aber zum Glück gibt es in Berlin unzählige Menschen, die das Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“ wörtlich genommen haben. Auf der Website
host-a-fan.de
wird fast jeder Zimmerwunsch erfüllt: Über 200 Angebote für Einzel- und Doppelzimmer, angeboten von Rentnern, Familien, Singles und WGs locken zu Preisen zwischen 15 und 150 Euro pro Nacht. Soll es „ein Zimmer im coolsten Photoatelier im Szenebezirk Prenzlauer Berg“ mit Schminkspiegel und Küchenmitbenutzung sein (Sehr nett: „Gerne machen wir auch mal ein Foto in Eurem Lieblingstrikot“)? Oder bekämpfe ich die Einsamkeit bei meinem Singletrip in die Hauptstadt lieber mit einer Familienanschlussgarantie („Don't worry if you have just a few tickets, we'll bring the big TV up to the roof garden and watch the games while we're having BBQ.”)? Für Kurzentschlossene wie mich gibt es für heute Abend an die 50 Angebote mit „Last-Minute-Service“, bei denen der Anbieter angeblich über Handy jederzeit erreichbar ist. Mal gucken, ob es klappt und ob mir heute Nacht jemand das Bett mit Arminia-Bielefeld-Bettwäsche beziehen wird – bei der erstmaligen Anmeldung auf der Internetseite durfte ich nämlich auch meinen Lieblingsfußballverein angeben.
Eine Reihe vor mir im ICE nach Berlin geht es im Gespräch zweier Männer um Jürgen Klinsmanns Zukunft: Mit Argumenten wie "Hohe Flugkosten" und "Gummiband-Trainings-Albernheiten" könnte der eine glatt als ewiggestriger DFB-Funktionär durchgehen. Der andere dagegen kommt aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus: Als "Magischen Motivator" huldigt der Jürgen-Jünger dem neuen deutschen Fußballmessias. Auf einem Fensterplatz hinter mir bestätigt eine Frau hingegen alle meine Vorurteile: Nicht Zizous Traumpässe stehen im Mittelpunkt ihrer Schwärmerei. Was für sie zählt, ist "seine sexy Glatze". Selbst Zidanes ständiges Gerotze im Halbfinale verzeihe sie ihm, teilt sie ihrer Gesprächspartnerin via Handy mit.
Was ich im ganzen Zug vergeblich suche, sind WM-Pilger, die wie ich in diesem Zug sitzen, weil sie zum Finalwochenende in die Hauptstadt fahren. Wo sind die Franzosen, deren Wangen in den Farben der Tricolore strahlen, wo die Italiener, die sich mit dem Finale vom tristen Bestechungsalltag in der Heimatliga ablenken?
Was in solch einer Situation am schlimmsten ist? Wenn einem ein Freund kurz nach der 119. Minute per SMS freudig mitteilt: "Cool, ich hatte als einziger 2 zu 0 für Italien getippt". Muss das Leben emotionslos sein, wenn man alles sofort in rationale Bahnen lenken kann...
Was ich jedenfalls vom gestrigen Abend in Erinnerung behalten werde: Die atemberaubende und ohrenbetäubende Stimmung der 65.000 Zuschauer im Dortmunder Stadion, das Mitleiden bei jeder vergebenen Chance, bei jedem misslungenen Pass sowie das unermüdliche, aber vergebliche Herbeischreien des deutschen Sieges. Und natürlich den Schockzustand, der sich minutenlang nach diesen verflixten Lastminute-Toren auf den Rängen breit machte. Aber so richtig kommt die Enttäuschung, die Niedergeschlagenheit erst heute, am Tag danach. Fühlt sich ein bisschen so an, wie der Morgen nach einem durchgefeierten Wochenende.
Aber, um auch was Positives zu schreiben: Die Sportfreunde Stiller, die uns dieses geniale Mitgröl-Lied "54 - 74 - 1990 - 2006" bescherten, haben schnell reagiert: Seit heute Mittag kann auf ihrer Homepage die neue, nur leicht modifizierte Lied-Version gratis heruntergeladen werden.
PS: Natürlich habe ich heute morgen, genau wie vermutlich auch die Herren Metzelder, Friedrich, Göllner und Hinz, zum Rasierer gegriffen. Doch dann zögerte ich: Eigentlich sind wir doch derzeit nur so HALB ausgeschieden, schließlich folgt doch am Samstag noch das Spiel um die goldene Ananas, oder?
PPS: Meine erst gestern erworbenen Deutschland-Devotionalien kommen in den Keller - zwischengelagert. Ist ja nicht mehr lang hin bis 2008.
Super Tipp -- der Hinweis auf das neue WM-Lied der Sportfreunde! So können wir auch beim Spiel um Platz 3 am Samstag weitersingen. Da hebt sich doch gleich wieder meine WM-Laune!
Fabian am 05.07.06 18:27
Großartig. Halb rasieren. Den merk ich mir ;-)
Olli am 05.07.06 18:31
Das ist mal ein cooler Schnitt! Stylisch ganz weit vorn, Stefan.
Sebastian Göllner am 05.07.06 18:33
Hi Stefan,
habe alle deine Einträge verfolgt.
Danke dafür...auch das ich selbst einmal "Objekt" deiner Kamera sein durfte (11.06. am Kölner Stadion als uns das Grillen verboten wurde).
Viele Grüße aus Köln
Sascha
Sascha am 05.07.06 20:06
Lässt Du die eine Hälfte bis 2008 wachsen?
Grüße!
Marion am 06.07.06 09:18
Der Halbrasierer hätte nun nur noch über die Platte gehört ... *g*
Jörg am 06.07.06 11:22
fängt man jetzt schon schon an ein fazit zu ziehen? noch überwätigt von dem gefühl der trauer und leere, die einen umgibt? wenn ja, nur dies: stefan, du hast in diesen verrückten vier wochen ein kleines stück dazu beigetragen, das man jeden tag mit einem lächeln durch den tag geht. klingt pathetisch, war aber so.
auf eine schöne abschlussparty am samstag!!!
uwe am 06.07.06 11:29
Nur um alle Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen: Ich schrieb ja lediglich, dass ich für einen Moment zögerte. Nachdem ich dann den Halbbart im Spiegel und auf dem Foto begutachtet habe, setzte ich den Rasierer schnell wieder an. Ging ja gaaar nicht...
PS: Schön, dass ich Einigen bis hierhin Kurzweil bereitet habe, melde mich am Wochenende aber nochmal aus Berlin zu Wort.
Stefan am 06.07.06 18:34
Nein, gönnen tue ich es den Italienern nicht. Nicht (nur), weil ich mich darauf gefreut hatte, dass dieser "Partyotismus", wie die Stimmung bei uns im Land so treffend von einer Zeitung bezeichnet wurde, noch ein paar Tage länger anhält. Italien hat bei dieser WM einfach zu oft genau so agiert, wie ich es jahrelang von der deutschen Mannschaft gewöhnt war: Selten schön gespielt, aber immer den nötigen Dusel gehabt. um am Ende als Sieger den Platz zu verlassen. Eigentlich, finde ich, hätten die Signores schon im Achtelfinale gegen Australien den kürzeren ziehen müssen.
Naja, jetzt bin ich gespannt, ob am Sonntag erstmals eine Mannschaft Weltmeister wird, in der es schon bald vor lauter Zweit- und Drittligisten wimmeln könnte.
PS: Kollegen Göllner und Hinz, diesen Schnappschuss machte ich nach Spielende. Ob der Mann links im Bild auf uns gewartet hat? Ich jedenfalls entzottele mich morgen ohne fremde Hilfe.
Jetzt zählt es! Jürgen Klinsmann hat mit dieser deutschen Mannschaft ein Paradebeispiel abgegeben, wie man ein ziemlich angestaubtes und erfolgloses System reformieren kann. Lasst uns dafür sorgen, dass das niemand vergisst und das Klinsmann bleibt und diese Entwicklung weiter vorantreibt!! Mit einer "Jürgen Du musst bleiben"-Demo am 8.07., 14:00 vor dem Spiel um den 3. Platz!
Diese Ankündigung geht jetzt in viele viele ähnliche Foren, denn so etwas organisiert sich nicht von allein. Wenn da richtig viele Leute hinkommen, an so vielen Orten wie möglich, werden wir unser Land nicht wiedererkennen!
Wer dabei sein will, Mail an: [email protected]!
hanno am 05.07.06 02:52
Absolute Übereinstimmung. Mein absoluter Albtraum wäre jetzt ein Finale Italien-Portugal: zwei Mannschaften, die sich eher durch dieses Turnier durchgerumpelt haben als alles andere. Der hässliche Fußball darf bei dieser WM keinen Pokal gewinnen!
Trotzdem kann ich den Italienern keinen Vorwurf machen: Sie haben diese beiden astreinen Chancen kurz vor Toresschluss genutzt und letztendlich (zumindest, was dieses Spiel angeht) verdient gewonnen. Ich wünschte, die Deutschen wären im Abschluss so sicher gewesen.
So, und jetzt stecke ich erstmal meinen Kopf für eine Runde ins Klo und ziehe die Spülung. Ein besch*ssenes Gefühl, morgens aufzuwachen und erst dann im vollen Umfang zu realisieren, was gestern Abend eigentlich passiert ist.
Fabian am 05.07.06 07:54
Hallo ... klar ist das dumm gelaufen. Hätte genauso gut auch anders rum ausgehen können. Cannavaro und Buffon sind aber - egal in welcher Liga sie spielen - Weltklasse. Das kann kaum leugnen, bei aller Enttäuschung über das deutsche Abschneiden (das wie bereits oft gesagt VIEL mehr als das Erwartete war ... und die schnell aus der Schublade gezogene Catennaccio-Keule gilt spätestens dann nicht mehr, wenn wie gestern abend geschehen, auf italienischer Seite nicht weniger als vier (!) gelernte Stürmer spielen. Letztlich war das wohl auch das Ausschlaggebende. Das da auch Glück dabei sein muss ist klar. Aber dann gelten bitte auch Pfosten und Latte in der Verlängerung als Glück - für Deutschland.
Clemens am 05.07.06 10:22
Ahhhh so wohltuend dies zu lesen!
Danke.
Endlich jemand der aufrichtig bekennt, daß er sich die Spiele angeschaut hat statt kolportierte Kommentare, die die Bezeichnung nicht einmal verdienen, zu wiederholen.
Nochmal Danke. Denn es stimmt. die Teutonen unter Ribbeck, Vogts, Völler etc haben sich in der Tat stets mehr durch die Turniere gewurschtelt, als gespielt. Ich war froh, als die in Portugal ausgeschieden sind. Um so mehr, viel viel mehr bin ich nun froh darüber, daß mit Klinsmann als Trainer endlich die jungen Spielfreudigen ran durften. (Schade nur, daß an B. immernoch festgehlaten wird, der sich zwarbemühte -- wie es der Spiegel nannte -- aber schaun' wir denn nicht hin ? --- ein Thema für sich ...)
Muß aber nun los, denn bin auf der Suche nach einer Mannschaft fürs Finale, denn außer Frankreich ist ja leider kein Fussballteam mehr im Turnier. Schade.
Vive la France
Auf den Thierry und den Zissou freu' ich mich immer. Nur niemand da, der es verdient hätte gegen die zu spielen. Metzelder, Mertesacker, Friedrichs, Lahm, Lehmann, der Basti, unser Prinz und vor allem dem Miro habe ich das gegönnt, sich auf die Equippe im Finale zu freuen.
Schlicht ungerecht, daß die Italiener und die Protugiesen überhaupt noch im Turnier sind. Unverdient.
Nur gut, daß die Italiener jetzt noch ein bissl verdienen dürfen bevor sich abgeleaguet werden -- wenn denn überhaupt.
A prospos, wer kann bitte aufrichtig glauben, daß in einem Skandal von solchem Ausmaß KEIN Spieler beteiligt war/ist ?
Nö. Das ist nun wirklich so angeschimmelt unglaubwürdig, wie die Annahme, daß weder die sportlichen Leitungen der Radteams, noch deren jeweilige medizinischen Abteilungen Kenntnis hatten vom umtriebig großflächigen Dopen
Dr. G. Beckers am 05.07.06 13:50
Hätte mir jemand vor vier Wochen erzählt, dass ich einmal mit schwarzrotgoldener Girlande um den Hals und gleichfarbigem Schweißband in`s Stadion gehen würde - ich hätte ihn für verrückt erklärt. Heute dann der Paradigmenwechsel. Drei Stunden vorm Spiel noch schnell in die Kölner City gehetzt, und sogar kurz überlegt, ob ich mir eine Nationalperücke zulegen soll. Zum Glück in letzter Sekunde vor dieser Schnapsidee zurückgeschreckt. Bei den subtropischen Temperaturen hier in Dortmund wäre ich endgültig weggeflossen.
PS: Nach dem Pfeifkonzert beim Einlauf der italienischen Mannschaft bereue ich, mir nicht auch gleich Ohrstöpsel in schwarzrotgold gekauft zu haben.
Also ein freundlicher Empfang sieht anders aus. Eskortiert von Ordnern und Polizei bahnt sich der in standesgemäßem Azzuro-blau lackierte Mannschaftsbus der italienischen Mannschaft seinen Weg durch die Dortmunder Zuschauermassen. Einigen Deutschland-Fans gelingt es dennoch, den Fensterscheiben einen Klatsch zu verpassen. Auf der Rückbank glaube ich Totti mit Kopfhörern über den Ohren zu erkennen. Ob die "Ihr seid nur ein Pizzalieferant"-Sprechchöre wohl dennoch zu ihm durchgedrungen sind? Nicht nett, zugegeben, aber der Zweck heiligt die Mittel...
Die Spieler sind bisher sehr fair, die Fans sollten es auch sein!
Ich freue mich jedenfalls auf ein gutes und spannendes Spiel mit Pizza und Weissbier :-)
jan386 am 04.07.06 21:59
Nee, der Zweck heiligt nicht die Mittel. Der "Pizzalieferant" - Chor ist absolut lau.
Stefan Bittner am 04.07.06 22:37
Ich stimme mit Stefan ueberein. Und die dauernden Pfeifkonzerte sollten auch nachlassen. Freunde zu Gast und so weiter.
Christian am 04.07.06 23:00
Tja, die Fans tun sich nix und die Fangesänge haben mit Fairness oder Hirn nicht viel zu tun. - zumindest in Teilen.
Und: Gewinnen geht anders.
Weiter gehts mit dem Spiel um Rang drei für Deutschland.
Meister Lampe am 04.07.06 23:41
Während der Italienhymne wurde auch gepfiffen. Ganz schlechter Stil. Das haben in diesem Turnier bisher nur die Engländer gemacht (gegen Schweden).
Olli am 05.07.06 01:11
Die Chöre "Ihr seid nur der Möbel-|Rindfleisch-|Pizzalieferant dokumentieren nur zu gut, dass diese deutschen Chorknaben nicht eine Sache wegen ihrer selbst feiern und genießen können, sondern dazu immer nur in negativer Abgrenzung zu einem Dritten fähig sind:
Ziemlich armselig und keinesfalls erklärt durch das an dieser Stelle völlig dplatzierte, jesuitische "Der Zweck heiligt die Mittel."
Ein italienischer Fan gestern nacht auf der Münchener Leopoldstraße brachte es auf den Punkt: Mit einem Paket von 20 Pizzaschachteln und der Aufschrift "Wir sind nur der Pizzalieferant" auf dem Rücken war er einerseits eine der nettesten Attraktion des Tumults, wurde andererseits aber auch angefeindet von einigen plötzlich gar nicht mehr feierlaunigen und gastfreundlichen deutschen Landsleuten.
Werner am 05.07.06 11:27
Hi Werner,
ich glaube, Du interpretierst zuviel in die Stadion-Schlachtgesänge hinein. Die Melodien sind halt schön mitträllerbar, und auch aus der Bundesliga zur Genüge bekannt. Da heißt es dann z.B. "Ihr seid nur ein Karnevalsverein", wenn die Kölner in Bielefeld zu Gast sind. Und Du glaubst doch bitte nicht, dass die englischen oder italienischen "Chorknaben" zurückhaltender sind, oder? Lieber Schmährufe skandieren als sich einen auf die Mütze hauen.
Stefan
Stefan am 05.07.06 15:08
Ich als Halbitaliener fand das alles nicht so schlimm ("Pizzalieferanten"etc.), da wenig hirn nun mal zu unserem fußball gehört. Italien und Deutschland hat immer ein besonderes Verhältnis geprägt....schade finde ich nur,dass mich nach dem spiel einige "fans" als "itaker" o.ä.bezeichnet haben, die wahrscheinlich jeden sommer nach italien fahren und fast jeden tag pizza und spaghetti essen.Zum Pfeifen zur Nationalhymne kann ich nur sagen, dass es eigentlich Tradition ist bei den Italienern die gengerische Hymne auszupfeifen (siehe WM 90 Arg-Deu). Trotz allem liebe ich Deutschland mehr als je zuvor!:)
christopher am 08.07.06 11:14
Wer unsere Jungs tritt und schlägt, hat in meinem Paninialbum nichts mehr verloren, hab` ich mir überlegt. Ärgerlich nur, dass weder die Hauptakteure Leonardo Kung-Fu Cufre noch Maxi Balboa Rodriguez in der argentinischen Sammelbildchenmannschaft vertreten sind. Egal, dann muss halt ein anderer dran glauben. Dann eben Gabriel Heinze. Der war auch an der Rangelei mit Schweinsteiger beteiligt, und außerdem ist es eh ein hässliches Foto. Und dass er einen deutschen Großvater hat, reicht mir als Begnadigungsgrund nicht.
PS: Wenn die italienische Petzerei Erfolg haben sollte und Frings jetzt nachträglich bestraft wird, kann sich das Klebebildchen von Signore Gattuso auch ein neues Zuhause suchen.
Die taz hat heute (3.7.) einen schönen Text zur Melodie "Zwei kleine Italiener" abgedruckt:
11 kleine Italiener, die fahren nach Haus! usw. Am besten selbst lesen, lohnt sich.
mecker am 03.07.06 11:01
Och kommm ... hat denn Gattuso den Frings verpfiffen? Die Bilder kommen vom Murdoch-Sender "Sky Italia" und abgedruckt hat sie "La Repubblica". Gattuso hat das ebenso wenig wie der Verband initiiert. Dass Gattuso findet, dass schließlich auch Totti 2004 nach dänischen Fernsehbildern verurteilt wurde, ist nicht gerade sympatisch, stimmt aber, oder? Lass den mal im Album. Der ist knorrig, aber ok.
Clemens am 03.07.06 12:06
Die Italiener befürchten wohl, dass die schauspielerischen Leistungen auf dem Platz alleine diesmal nicht reichen werden und versuchen schon im Vorfeld, wenigstens nicht gegen Frings spielen zu müssen, was? Das glaubt - ausgerechnet denen - doch kein Mensch, dass es denen da um das "Prinzip des fair-play" ginge. Das ist genauso unglaubwürdig, weil theoretisch, als würde der Papst über Sexpraktiken reden....
Sven am 03.07.06 13:28
Sehr fader Beigeschmack! Warum wurden die Bilder erst rausgerückt, als das Verfahren schon beendet war? Petzerei! Den Italieniern geht der Arsch auf Grundeis! Wenn sie es so schaffen wollen... Hoffentlich erwartet die in Dortmund die Hölle!!!
Al Gore am 03.07.06 13:29
Das war genauso schofel von den Dänen damals! Aber quid pro quo im Fußball? Die sprechen doch eh kein Latein!
Al Gore am 03.07.06 13:53
Ich finde ja irgendwie alle Fotos der Argentinier häßlich! Die amerikanischen Boys habens richtig gemacht! Haben ihre Passbilder abgegeben! Grins!
Ronny am 03.07.06 16:36
Da ist sogar ein Chip mit den biometrischen Daten integriert!
Al Gore am 04.07.06 14:14
Es ist nur ein schwacher Trost, dass neben Christoph Metzelder jetzt auch Arne Friedrich dem Rasierer die kalte Schulter zeigt. Denn für mein ungepflegtes Äußeres und meine typische Handbewegung, an der mich Freunde mittlerweile schon von weitem erkennen können, kann eigentlich keiner von beiden was. Kollege Göllner ist Schuld. Was mich stutzig macht: Abgesehen von seinen pathetischen Zeilen fehlt mir bislang der im Bild festgehaltene Beweis, dass bei ihm auch wächst, was wachsen muss.
PS: Kollege Hinz, wie zottelig sieht`s denn in Ihrer Gesichtsmitte aus?
Krieger
"Je ausgefallener die Verkleidung, umso größer die Aufmerksamkeit" wird sich dieser eintrittskartensuchende Fan gedacht haben.
Mundloch
Nein, dies ist keine weitere absonderliche FIFA-Verordnung. Auch zu Bundesligazeiten wird auf Schalke höflich darum gebeten, nicht auf der Eingangsplattform in den Blöcken herumzustehen. Ob sich Rudi Assauer dieses Wort hat einfallen lassen?
Diskussionswürdig
Könnte mir vorstellen, dass die Aussage der Dame unter England-Fans nach diesem Spiel ziemlich umstritten ist.Kommentatorenschutz
Gut, jetzt kann man sich fragen: Warum nimmt man ihn ins Stadion, wenn er dann doch nichts hören darf. Andererseits: Vielleicht auch für Erwachsene ganz nützlich: Wenn einem das nächste Mal vorm Fernseher der Kommentatoren-Ton auf den Keks geht.Internationalität
Ein absolutes Highlight bei dieser WM: Die um Internationalität bemühten Ordner und sonstigen Hilfskräfte: "Ju mast go mehr rein da!"
Deutschlands schönste Innenstadt
Schnell nach Hause kommen wollte ich nach Ende des Elfmeterschießens, schließlich blieb nur ein gute Stunde bis zum Beginn des nächsten Spiels. "Steigen Sie in den Bus, der fährt parallel zur Straßenbahn und hält an jeder Haltestelle.", hieß es mit glaubwürdiger Stimme Doch er hielt nicht. Stattdessen fuhren wir in einer Sardinenbüchse auf Rädern einmal quer durch Deutschlands schönste Innenstadt bis zum Hauptbahnhof, ohne dass sich der Busfahrer auf die wiederholten "Stop!" und "Anhalten!"-Rufe seiner Passagiere einließ. Am Ziel zeigte er sich uneinsichtig: "Hätten ja doch nur wieder Leute hineingewollt, wenn ich irgendwo angehalten hätte.
"Mundloch" ist Stadionfachjargon, mein Lieber! Und wie heißen die großen Einfahrtstunnel, die ebenerdig ins Stadion führen? Richtig. "Mäuler".
Klugscheißer-Grüße,
Sebastian
http://sport.ard.de/wm2006/confedcup/komponente/stadien/glossar.php?city=gelsenkirchen#glid17
Sebastian Göllner am 02.07.06 09:04
Wenn schon klugscheißen, dann richtig, lieber Kollege: "Mundloch" ist KEIN allgemeiner Stadionfachjargon, sondern eine Schalker Spezialität, die dem Bergbau entlehnt ist. Auf bergmännisch ist ein Mundloch das Ende eines Stollens an der Tagesoberfläche. Wusste ich auch nicht, hat mir heute morgen Onkel Wiki erzählt.
Stefan am 02.07.06 12:05
54.000 52.000 Zuschauer (hatte mich auf die Angaben meines Paninialbums verlassen) in Schalke bringen heute nachmittag ein verdammt großes Opfer. Damit es bei Ihnen zuhause auf dem Fernseher keine fiesen Helligkeitsunterschiede zwischen Schatten und Sonne gibt, haben die FIFA-Strategen bei 33 Grad Außentemperatur das Dach des Gelsenkirchener Stadions kurzerhand schließen lassen. Und obwohl das Spiel eigentlich keinen Anlass dazu gibt, sammeln sich seitdem die Schweißperlen (nicht nur) auf meiner Stirn. Andererseits: Wer kann schon von sich behaupten, mit Victoria Beckham zusammen in der Sauna gewesen zu sein?
PS: Zähle seit Beginn des Spiels jedes F-Wort in meiner Umgebung mit: Zwischenstand vor der Pause: Über dreißig Mal. F-Beckham führt knapp vor F-Rooney. Auch wenn die Wortwahl diskussionwürdig ist: Im Prinzip haben sie Recht.
16 Quadratmeter Stoff aus dem offiziellen Fahnenlager der Stadt Düsseldorf sorgten für eine standesgemäße Hinterhof-Deko beim Viertelfinale. Auch wenn nicht alle damit einverstanden waren, dass außer schwarz-rot-gelbgold (ist zwar gelber Stoff, heißt aber eben offiziell "Gold", siehe hier) auch die argentinische Sonne auf blau-weißem Grund vom Balkon baumelte ("Häng das wieder ab!"). Um 19.40 Uhr dann die Entscheidung: Verliererfahnen haben bei uns im Hof nix zu suchen.
Und hier die Aktion als Handy-Video
Nein, geweint wurde bei uns zwar nicht, aber ich habe erwachsene Menschen an den Fingernägeln knibbeln sehen. Ansonsten sagen die Bilder viel mehr als tausend Worte.
Unweit von Köln, in der Landeshauptstadt Düsseldorf, gibt es eine Anlaufstelle für Bekloppte. Für alle, die ähnlich ticken wie ich, kommt mein Tipp für das heutige Spiel zwar zu spät, aber wir kommen ja sicherlich ins Halbfinale...
Und wie wäre es denn, wenn Sie sich dann mal 8 Quadratmeter Deutschland in den Garten hängen, anstatt sich mit einem pisseligen Autofenstersteckfähnchen lächerlich zu machen? Rund 3.000 Fahnen hat die Stadt Düsseldorf dort in einem
speziellen Fahnenlager
vorrätig, über 90 Prozent aller Länderflaggen der Welt sind vorhanden und die Verleihgebühr für drei Tage entspricht gerade einmal 4 WM-Stadionbieren. Als ich hörte, dass es sogar eine nepalesische 4x2-Meter-Flagge gibt, war ich kurz davor, meine Leih-Pläne über den Haufen zu werfen. Bin dann aber doch bei meiner Bestellung geblieben. Das Ergebnis gibt`s später zu sehen.
PS: Leise leidend kratzt und juckt es mich. Ach, wie verfluche ich den Kollegen Göllner, der mich auf dumme Gedanken brachte... Stimmt`s, Kollege Hinz?
Überall, wo heute deutsches Gemeinschaftsgucken (Danke, Matthy!) angesagt ist, richten sich die Veranstalter auf den größten Besucheransturm seit Beginn der WM ein. Allein auf dem Gelände der Deutzer Werft, parallel zum Rheinufer mit Blick auf den Dom, wird mit bis zu 50.000 Menschen gerechnet. Auch beim Köln-Nippeser Hinterhofviewing könnte es heute nachmittag mit bis zu 50 erwarteten Teilnehmern richtig kuschelig werden. Und auch hier ist natürlich Domblick garantiert. Insgesamt, so Schätzungen, werden bis zu 200.000 Fans in der Stadt erwartet. Wer noch nicht weiß, wo in Köln er gucken soll,
findet hier Rat.
Während der eine Meerschweinchen gerettet hat und die andere peinliche Filme guckte, hab ich in der fußballfreien Zeit mal ausführlich gewühlt: Über 1.400 Fotos haben sich seit Beginn der WM auf meiner Festplatte angesammelt. Die Möglichkeit im digitalen Zeitalter "klickklickklickklick" zu machen, ohne dass es sich gleich unangenehm im Portmonee bemerkbar macht, ist wirklich Segen und Fluch zugleich. Mein Problem: Abgesehen von unscharfen oder unterbelichteten Fotos kann ich mich im Nachhinein nur schwer von einem einmal geschossenen Motiv trennen.In einigen Jahrzehnten, so stelle ich es mir vor, wenn ich ein alter Knacker bin, kann ich mich dann Gicht- oder Rheumageplagt bei Laune halten, indem ich mich durch zehntausende Bilder klicke und mir zu jedem Bild vor mich hin brummelnd die alten Geschichten selber erzähle: Ach ja, damals,...
...als die Schwarzmarkthändler in Köln immer verrücktere Schilder in die Höhe hielten, um auf sich aufmerksam zu machen."
Damals, als Jorge José de Amorim Campos, besser bekannt als Ex-Nationalspieler Jorginho, nach dem Spiel Brasilien - Ghana fast von den eigenen Landsleuten erdrückt wurde.
"
Damals, als mir der Wohnmobilnachbar auf dem Southside-Festival sein Klapprad als Dienstfahrzeug zur Verfügung stellte, damit ich damit zum 1 Kilometer entfernten Pressezentrum radeln konnte, und auf dem Rückweg prompt die doofe, aber sehr seltene Posthorn-Hupe verloren ging.
Damals, als die Fußballbegeisterung einen Dortmunder Autobesitzer zu merkwürdigen Verschönerungsmaßnahmen trieb (Ja, das ist Kunstrasen!).
Damals, als die argentinischen Fans VOR dem Viertelfinale noch für allerlei Scherze zu haben waren.
Hoffentlich werde ich keine weiteren Fotos von lachenden Argentiniern zum Archiv hinzufügen müssen...
Danke Stefan, für diesen Beitrag. Er hat mich sehr erleichtert. Ich dachte nämlich schon, ich sei möglicherweise der Einzige, der diese Marotte hat, sich partout von keinem einzigen Foto trennen zu können, ganz gleich, welche Qualität es hat.
Frank am 30.06.06 10:16
Machen wir uns nix vor, diese 66 Stunden kalter Entzug, mit denen nicht nur Kollege Hinz derzeit zu kämpfen hat, sind ja nur ein kleiner, lächerlicher Vorgeschmack auf das, was uns ab dem 10. Juli noch viel härter zusetzen wird. Womit halten wir uns dann wohl bei Laune? Miit der Vorfreude auf den 11. August 2006? Oder beginnt dann schon das Kribbeln im Hinblick auf den
7. Juni 2008?
Ganz ehrlich: Bundesliga, Europameisterschaft - das ist doch alles nur ein schwacher Trost. Ich hab heute mal versucht, meine Entzugserscheinungen mit ersten Reisevorplanungen für 2010 zu bekämpfen. WM in Südafrika, hoffentlich nicht auf Kunstrasen und am liebsten ganz ohne Herrn Blatter, das wär doch was.
Eigentlich kann ich mir Schöneres vorstellen, als bald wie Reinhold Messner auszusehen. Aber erstens geht es gar nicht um einen Reinhold-Messner-
Lookalike-Wettbewerb. Und zweitens ist der Zeitpunkt für große Gesten gekommen, wie der Kollege Göllner bereits gestern völlig unpathetisch bloggte.
Also: Obwohl heute das erste Mal wieder so richtig Zeit für eine stundenlange Rasur wäre, selbst nach 17 oder 21 Uhr, bleibt mein Rasierer arbeitslos. Solange, bis die deutsche Mannschaft aus dem Turnier fliegt. Ich bin gespannt, wer dann dem Reinhold ähnlicher sieht:
Christoph Metzelder,
Sebastian Göllner
oder ich.
Nein, liebe ard-sportblog-Leser, Sie haben sich nicht verklickt. Sie sind nicht auf der Homepage der offenen Meisterschaften im Freiluft-Synchronbügeln gelandet. Was sie sehen, ist ein Indiz für echte Gleichberechtigung. Denn hatten bei der WM 1954 fast nur Männer die Möglichkeit, den Spielen beizuwohnen (während die Frauen sich um den Haushalt kümmern mussten), sind wir bei der WM 2006 zumindest in Köln-Nippes schon einen kleinen, aber wichtigen Schritt weiter.
PS: Ärgerlich allerdings, dass die Bügelwäsche automatisch mit leichtem Grillwurstaroma versehen wird...
Auf dem Rasen blieben die Brasilianer ja auch in Dortmund mal wieder ziemlich blass, abgesehen von ein paar schönen Einzelaktionen. Ganz im Gegenteil zu den Fans ihrer Mannschaft, die gaben im Anschluss an das Spiel auf dem Stadionvorplatz alles. Und keine Frage: Was die Schmink- und Verkleidungskünste angeht, müssen sich die brasilianischen Männner nicht ansatzweise hinter den Frauen verstecken. Aber sonst? ;-)
PS: Jetzt bitte keine empörten Kommentare, ich werf auch 'nen Euro in die Chauvi-Kasse.
PPS: Ich würd' ja mal gerne wissen, was ausländische Fans so denken, wenn jetzt bei jeder Partie und vollkommen zusammenhangslos "Ohne Holland, fahr'n wir nach Berlin" oder, sogar in Dortmund, "Lukas Podolski!" gerufen wird...
Das interessiert mich auch. Frag doch mal beim nächsten Stadionbesuch nach!
Sebastian Göllner am 28.06.06 08:25
Und allein schon deshalb kann das heutige Dortmunder Spiel eigentlich nur besser werden als der gestrige Grotten-Kick in Köln:
Ich war jetzt 2 Mal auf dem Fanfest in Dortmund, als die Brasilianer gespielt haben. Brasilianerinnen waren da, aber die sahen irgendwie anders aus. Irgendwas mache ich falsch...
Markus am 27.06.06 21:53
Wer eh schon knapp dran ist, sollte nicht auch noch aufmüpfig sein. Aber als ich heute an einen Dortmunder Ich-bin-sehr-wichtig-Ordner geriet, der mich einer besonders intensiven Leibesvisitation unterzog, konnte ich nicht anders. Er: "Was haben wir denn in den Hosentaschen?" Ich: "Keine Ahnung was Sie in Ihren Taschen haben!" Die Folge: Er unterzog selbst mein gebrauchtes Taschentuch einer eingehenden Prüfung...
Wer, bitte schön, geht denn auch im Brioni ins Stadion? Das ist wüsteste Ordner-provokation!
Marion am 27.06.06 22:22
Hallo Marion,
ich bin zwar Multi-Tasking-fähig, aber mir die Taschen abgrabbeln zu lassen und gleichzeitig diese Situation zu fotografieren - das ist zuviel verlangt. Daher gehört der von Dir vermutete Brioni-Anzug zu einem der zahlreichen VIPs im Stadion.
Stefan am 27.06.06 23:51
Als nach diesem gräuslichen 0:0, nach den kaum enden wollenden 120 Minuten Schweiz - Ukraine auch noch die die ersten drei Schützen beim Elfmeterschießen nicht treffen, denke ich: Eigentlich ganz korrekt. Diese Partie hat eigentlich gar keinen Sieger verdient.
Auch wenn ich jetzt undankbar klinge, aber dieses Spiel hätte ich mir wirklich lieber zuhause vorm Fernseher angeguckt - und spätestens nach der ersten Halbzeit umgeschaltet.
Die Höhepunkte sind schnell aufgelistet und spielten sich nicht auf dem Rasen ab: Mehrere La Olas in der ersten und zweiten Halbzeit, Holländer-Häme im großen Zuschauerchor ("Ohne Holland, fahr`n wir nach Berlin...), Zuschauergemecker drei Reihen hinter mir auf hohem Niveau ("Rumpelfußball", "Das ist doch Rumpelfußball", "Was für ein Rumpelfußball", u.ä.) sowie gegen Ende der zweiten Halbzeit musikalische Ironie gegen das Elend auf dem Rasen: Ein Großteil der Nordtribüne stimmt lachend "Oh, wie ist das schön" an. Mein persönliches Highlight ist allerdings der Spruch eines Kölner Dauerkarteninhabers: "Die spielen ja schlimmer als der FC." Recht hat er.
Gut, immerhin kann ich mich jetzt damit brüsten, beim trotz Elfmeterschießen langweiligsten Spiel der Fußball-WM 2006 dabei gewesen zu sein.
PS: Eigentlich hatte ich mich schon auf einen Sieg der Schweizer gefreut, wollte nachher ebenso unverständliches wie fröhlich klingendes Schwyzerdütsch der Fans aufnehmen. Naja, zumindest das mit dem Unverständlichen hat geklappt:
Falsch, Donke, falsch. Es war definitiv nicht das langeweiligste Spiel (das war England-Ecuador).
Zwei Mal Alu, 3-4 Fasttreffer durch Fernschüsse, jede Menge Zweikämpfe (viele fair, einige unschön). Es hat schon schlimmere 0:0 gegeben. Sorry, aber Deine Einschätzung teile ich überhaupt nicht.
Olli am 27.06.06 11:56
Hi Olli,
zwei Mal Alu entschädigt aber leider nicht einen 120 Minuten währenden Nichtangriffspakt beider Teams. Da halte ich es doch lieber mit unserem sport.ard.de-Kollegen Hornung: "Es war ein armseliges Fußballspiel"
(http://sport.ard.de/wm2006/wm/news200606/26/spielbericht_schweiz_ukraine.jhtml)
Stefan am 27.06.06 12:46
Ja, Stefan, du hast Recht, vor dem Fernseher zu Hause war's erträglich. Bin Mitte der zweiten Halbzeit eingestiegen, habe zu den Tagestehmen umgeschaltet, war pünktlich zum Ende der regulären Spielzeit wieder dabei. Dann bin ich während der Verlängerung sanft eingeratzt und zum langweiligsten "Elfmeterkrimi" aller Zeiten wieder aufgewacht. Schade eigentlich, hätte so schön weiterschlafen können.
Sabine am 27.06.06 17:12
Da sag ich nur Anti-Fußballfans. Währen eines Spiels umzuschalten. Tz, tz, tz...
Olli am 27.06.06 22:21
Aber es gibt ja noch so viele Spiele. Huch. So viele sind's ja gar nicht mehr.
Olli am 27.06.06 22:22
Stefan: Nichtangriffspakt? Hast Du das selbe Spiel gesehen?
Olli am 27.06.06 22:25
Ne, Olli, ganz im Gegenteil: Kein Anti-Fußball-Fan, sondern eine, die den Fußball mag und sich die Freude daran nicht durch ein käsiges Spiel dauerhaft vermiesen lassen will. Gebe aber gerne zu, dass ich nicht von der Hardcore-Sucht-Fraktion bin, die sich alles, aber auch wirklich alles antut, was auf dem Fifa-WM-Rasen (TM) passiert. Ein bisschen Auswahl ist ganz gut.
Sabine am 28.06.06 11:33
du überschrift hättest du dir sparen können - vor allem als bielefeld fan sollte man nicht so überheblich sein
uwe am 28.06.06 13:03
Hi Uwe,
wenn Du genau hinguckst, entdeckst Du Anführungszeichen, mein Lieber. Ein untrügliches Indiz dafür, dass es nicht meine Meinung, sondern lediglich die Wiedergabe eines Zitats ist. Denn solch ein Vergleich käme MIR doch NIE über die Lippen. ;-)
Stefan am 28.06.06 13:15
Nachtrag zum Sonntagabend, als Portugal mit 7: 5 (nach Karten) gegen Holland gewinnt:
Dieses Spiel werde ich nicht nur wegen der Kartenflut in Erinnerung behalten. Erst sorgte in Neuhausen o.E. ein nur wenige Minuten dauerndes, aber orkanartiges Unwetter für den Totalausfall der gigantischen Großbildleinwand: Schwarz statt oranje genau dort, wo am Tag zuvor noch zigtausende Deutschlandfans auf dem Southsidefestival gejubelt hatten. Dann, am zweiten Übertragungsort auf dem riesigen Gelände, empfängt mich ein intakter, aber ebenso schwarzer Bildschirm: Auch das digitale Antennenfernsehen ist offensichtlich wetterempfindlich. Ein Senderausfall in der (nahen) Schweiz sorgt jedenfalls für Achselzucken beim hilflosen Techniker.
Weiter geht`s also, quer über das riesige Gelände, ins Pressezelt. Dort, so erinnere ich mich, habe ich am Vortag einen Fernseher stehen gesehen. Ich habe Glück. Hier hat der Sturm zwar die Satellitenschüssel vom Dach gepustet, aber eine nette Mitarbeiterin erbarmt sich meiner und holt eine kleine Zimmerantenne aus ihrem Auto (was die Leute so alles dabei haben...). Und endlich: Passend zur gelb-roten Karte gegen Boulahrouz, die im Schnee-Gegrisel auf dem kleinen Bildschirm allerdings nur schwer zu erkennen ist, sehe ich das Spiel - naja, zumindest für fünf Minuten. "Alles raus! Sofort! Das Zelt muss evakuiert werden". Einsturzgefahr droht und plötzlich ist im Pressezelt mindestens genau so viel Hektik wie auf dem Nürnberger Rasen. Und schon wieder steh ich ratlos da: Körperlich zwar unversehrt, aber fußballlos.
In meine Frustration hinein platzt eine SMS meiner Freunde: "Sind im Partyzelt, gucken Fußball." Alles wird gut, denke ich und hetze erneut über das Gelände. Und tatsächlich, als ich ankomme ist die Stimmung gut, die Leinwand groß und irgendein Holländer bekommt schon wieder eine Karte. Doch zwei Minuten später verstellt sich die Satellitenschüssel durch ein erneutes Unwetter. Diesmal ist es mein endgültiger Spielabbruch, in der 77. Minute gebe ich auf.
EIGENTLICH wollte ich diesen Eintrag mit einem Foto vom ersten australischen Autokorso in Köln beginnen. Und auch ein Foto für den Schluss hatte ich mir überlegt: Als sich in der 92. Minute abzeichnet, dass mein Außenseiterwunsch mit etwas Glück wirklich in Erfüllung gehen könnte, wähle ich die Nummer einer Freundin in der Kölner Südstadt. "Fotografier bitte weinende Männer", sollte meine Bitte an sie lauten, denn mehr Italiener im Fußballfieber als dort, wo sie Fußball guckte, gibt es in ganz Köln nicht.
Dann kam alles ganz anders, ich legte wieder auf und werde seitdem das Gefühl nicht los, dass die Italiener auf früher typisch deutschen Pfaden wandeln: Schlecht spielen, Dusel haben und am Ende doch gewinnen.
PS: Um diesen Eintrag nicht völlig bilderlos abzuschließen, greife ich notgedrungen auf ein Wochenendfoto zurück, dass ich beim Southside-Festival gemacht habe. Dort war mein Samstag, was das dortige Fußballgucken angeht, trotz schwieriger Rahmenbedingungen noch optimal verlaufen. Doch der Sonntag entwickelte sich für alle Fußballfans unter den 40.000 Besuchern des Musikfestivals stürmisch und letztendlich desaströs. Von meiner Odyssee auf der Suche nach einer Live-Übertragung des Spiels Portugal - Niederlande später mehr.
PPS: Als ich heute, auf der Rückfahrt aus dem Süden, zum wiederholten Mal ein Auto mit zerknirscht wirkenden Oranje-Fans überholte, konnte ich nicht anders: Auf gleicher Höhe abgebremst, rübergewunken und so laut es geht "Ohne Holland, fahr`n wir nach Berlin" gesungen". Ist albern, ich weiß. Aber Spaß gemacht hat`s trotzdem.
Cool, Du warst da? Wie waren Live und Coheed & Cambria? Die hätte ich auch gern gesehen. Stattdessen gab's Bob Geldof. War aber auch okay!
Wolfram am 26.06.06 20:24
O Domke, wat fies! Du bist doch sonst so ein netter Mensch.
Marion am 27.06.06 22:18
Hallo Wolfram,
sehr nett war es, wie immer, obwohl ich Live verpasst habe und Coheed&Cambria ausgefallen sind.
Stefan am 28.06.06 13:11
Dass ich mir das Spiel ohne Ton anschauen musste? Geschenkt, endlich mal ohne doofe Kommentatorensprüche hatte ich mir ja eigentlich eh schon lange gewünscht.
Dass nicht wenige von uns dieses Spiel mit verbrannter Haut im Nacken werden bezahlen müssen? Egal, das wächst alles nach.
Dass wir in diesem Zeltstadtgewirr Gefahr liefen, beim Getränke holen über Zeltschnüre zu stolpern oder in einen Hering zu treten? Verluste gib t`s halt überall.
Aber dass selbst auf dem Southside-Festival die Musik während der 90 Minuten für einen Großteil der 40.000 Menschen zur Nebensache wird, dass unzählige Menschen gemeinsam und völlig siegessicher schon nach einer Viertelstunde „Ihr seid nur ein Möbellieferant“ singen, das ist es, woran ich mich auch noch in Jahren gerne erinnern werde. Und ich bin mir sicher, jetzt bekommen selbst die Argentinier ein kleines bisschen Angst vor uns.
Tja, müssen wir uns jetzt noch einen passenden Spruch für Argentinien einfallen lassen :-P.
Die putzen wir eh ;)
Fan am 26.06.06 01:30
Ich habe geschwänzt. Ausgerechnet gestern Abend, als sich Brasilien endlich einmal weltmeisterlich präsentierte, jagte ich Richtung Tuttlingen über die Autobahn. Wird Zeit, dass Fernsehempfang endlich auch während der Fahrt möglich wird. Den Gedanken, zumindest die zweite Halbzeit gemeinsam mit Truckern auf einer Raststätte zu sehen, habe ich schnell wieder verworfen - auf Gunter Gabriel-Ambiente hatte ich keine Lust. Jetzt bin ich in Neuhausen ob Eck, rund 80 Kilometer vom Bodensee entfernt, und bis Sonntagabend steht auf dem Southside-Festival die Musik im Vordergrund - dachte ich zumindest. Doch weit gefehlt: Gestern Nacht, als im 2.000-Mann-Partyzelt gegen 3 Uhr die Musik verstummt, stimmen Hunderte von Festivalbesuchern „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“ an, 30 Minuten lang sang man dann gemeinsam, was die Fußballfankehle hergab.
PS: Bin gespannt, wo sich morgen um 17 Uhr mehr Menschen versammeln werden: Vor der Hauptbühne, wo The Cardigans es rocken lassen werden oder vor der Großbildleinwand, wo das deutsche Achtelfinalspiel übertragen wird.
Liebe Nachbarn im Westen, ich glaube es bleibt Euer Traum, dass Eure Spieler am Ende des Turniers diese Trophäe im Original in Händen halten dürfen. Aber nicht böse sein, Ihr spielt zwar nicht den weltweit besten Fußball, dafür schmecken Eure Frikandels aber sehr gut.
Es heist nicht im Plural Frikandels sondern Fricandellen da dieses Wort urspruenglich aus der Flemischer Sprache stammt!
Antoine M. Berben am 22.06.06 12:09
Hallo Antoine,
danke für den Hinweis, aber wenn ich meinen Nachbarn und Mit-Esser fragen würde: "Sollen wir uns 'Fricandellen' machen, würde er nur komisch gucken.
Daher nicht böse sein: In meinem Sprachgebrauch bleibt`s bei Frikandels. ;-)
Stefan am 22.06.06 12:40
Dritter und letzter Nachtrag zum gestrigen Spiel England - Schweden: Die Zeiten, in denen man als Fußballfan mit einem schlichten "Suche Karte"-Schild Erfolg hatte, sind gegen Ende der Vorrunde langsam aber sicher vorbei. Mittlerweile muss man sich schon mehr einfallen lassen, um ein begehrtes Ticket auf dem Schwarzmarkt zu ergattern. Außer einer prall gefüllten Geldbörse (500 Euro für die billigste Kategorie) kommt es auf eine schöne Gestaltung ebenso an wie auf außergewöhnliche, mit britischen Humor gespickte Angebote. Der Herr im Bild hatte auf der Rückseite seines Plakats sogar ein Foto seiner angeblichen mistress, welches er mir aber nicht zeigen wollte (daher nur ein heimlich geschossener und daher verwackelter Schnappschuss).
Vorsicht Domke, 80% der Leute, die auf diese Art und Weise Tickets suchen, sind üble Ticket touts, dies die Karten bereits anderen teuer verkauft haben und nun versuchen, sie weniger teuer zu erstehen, um das Geschäft perfekt zu machen.
Olli am 21.06.06 19:10
Hihi,
den gleichen Typen sah ich in Nürnberg vor dem Spiel der Engländer gegen Trinidad & Tobage. Ist wohl seine Masche (in Nürnberg erfolglos).
Klaus
Klaus aus Nürnberg am 23.06.06 13:19
Nachtrag 2 zum gestrigen Abend: Wir Journalisten sind ja manchmal priviligiert, so auch bezüglich der Sicherheitsmaßnahmen. Wo der gemeine Besucher sich mit schnöder Handabtastung und langweiligem Taschendurchwühlen zufrieden geben musste, wurde der Presse gezeigt, dass ein Stadion sich hinter einem Flughafen nicht verstecken muss. Immerhin: Nagelfeilen wurden nicht konfisziert und unsere Handys durften auch anbleiben.
Nachtrag 1 zum gestrigen Abend: Wer auf den letzten Drücker ins Kölner Stadion kam, hatte ein Problem. Anders als bei den bisherigen Spielen der Vorrunde wurden die Besucher ausführlichst gefilzt, als ginge es um den Weltmeisterschaftstitel im Abtasten und Begrabbeln. Auf der Strecke blieben zum Beispiel winzigkleine Fußbälle mit einem Durchmesser von wenigen Zentimetern und aufblasbare Plastikhände in den schwedischen Nationalfarben, schließlich könnte es sich ja um potentielle Wurfgeschosse handeln. Dass so etwas mit Feuerzeugen, Bierbechern und Handys viel besser geht, müsste die FIFA doch eigentlich wissen.
Und notfalls schmuggelt man halt eine Katze ins Stadion.
PS: "Haben Sie noch ein zweites Oberteil dabei?" musste sich eine Freundin gestern Abend von einem Einlasskontrolleur fragen lassen. Nicht, weil sie verschwitzt oder besudelt war. Sie hatte es lediglich gewagt, mit einem FC Köln-Trikot inklusive des üblichen Sponsorenaufdrucks ins Stadion zu gehen. Und das sieht die FIFA ja gar nicht gerne. Wenig überaschend hatte sie aber kein Wechsel-Shirt dabei, musste sich aber gnädigerweise nicht entblößen.
Bevor jetzt jemand mault, warum auf der Fotocollage fast nur Schweden und kaum Engländer zu sehen sind:
Das soll so.
Eigentlich hätten auf meinem Bild sogar nur Schweden zu sehen sein sollen, weil ich die nämlich besser als die Engländer finde. Aber dann dachte ich: "Na, ein Engländer, dazu noch ein versöhnlicher, sympathischer, das ist ja eigentlich ok. (Obwohl ja schon Kollege Hinz genügend Fotos von Engländern veröffentlicht hat)
PS: Ein Motorradpolizist, den ich gestern nach dem Kölner Spiel getroffen habe, ist mindestens genauso begeistert von den Blaugelben. Noch nie in seinen neun Dienstjahren als Fanbegleiter habe er solch nette, fröhliche, friedliche und farbenprächtige Fans erlebt, einfach unglaublich seien die. Und als er erzählt, wie vor dem Spiel an die 2.500 schwedische Fans gemeinsam aufs Stadion zumarschiert sind und einen auf Karneval im Juni gemacht haben, da ärgere ich mich, dass ich ausnahmsweise von der anderen Seite zum Stadion gekommen bin.
PPS: Niemand soll aus einem Text dümmer herauslesen, als er hineingelesen hat. Daher noch schnell die Erklärung, was es mit dem Ausruf "Alter Schwede" eigentlich auf sich hat.
Wenn die Schweden in Schweden doch auch mal so fröhlich werden! Ich hatte das Vergnügen, bei Beckenbauers WM-Präsentation in Stockholm dabei sein zu können. Er und Niersbach haben sich wirklich mächtig ins Zeug gelegt, um dem Publikum etwas zu bieten. Und vermutlich hat es den Leuten auch gefallen. Aber gezeigt haben sie es nicht wirklich (vielleicht lag es an der dunklen Jahreszeit, es war Dezember). Das muss für die beiden WM-Macher ein kleiner Schock gewesen sein, einen Tag nach der umjubelten Präsentation in den Niederlanden.
Daher: Schön, dass die schwedischen Fans jetzt ausgiebig bei uns feiern (vielleicht spielt der Bierpreis da eine Rolle: selbst die 3,50 Euro auf der Fanmeile sind für schwedische Verhältnisse noch recht moderat).
Da hätten sie es aber auch verdient, dass die deutschen Fernsehsender ihre Stars richtig aussprechen (vielleicht kann das mal jemand an Kommentatoren, Sprecher und Autoren weitergeben, wenigstens fürs letzte Spiel, wenn wir die Schweden aus der WM hauen). Eine paar Beispiele:
- Der schwedische England-Trainer Sven-Göran Eriksson wird eben nicht - wie gestern im Nachtmagazin - "Göran", sondern "Jöran" ausgesprochen (wie Ministerpräsident Göran Persson, den man übrigens Perschon spricht);
- Källström müsste m.E. "Chälström" ausgesprochen werden;
- Andersson: "Anderschon";
- Larsson: "Larschon";
(ohne Gewähr, am besten mal bei der schwedischen Botschaft nachfragen)
Günter Bartsch am 21.06.06 09:57
Genau wie Jürgen Klinsmann hatten auch wir Hinterhof-Gucker die ersten beiden deutschen Vorrundenspiele genauestens analysiert, um bestens gewappnet ins letzte Spiel gehen zu können. Allerdings haben wir nach der Auswertung ganz andere Schlüsse gezogen, als der Bundestrainer, so zum Beispiel:
Wir müssen den Rasen mehr schonen, wenn das frisch gesäte Grün noch das Finale erleben soll. Außerdem: Vier Wochen lang Bratwurst ist auf die Dauer ungesund und langweilig. Um dieser einseitigen Ernährung vorzubeugen, kam heute das erste Mal eine selbstgebackene Deutschlandtorte zum Einsatz. Und auch eine gewisse Struktur in der Kühlschrankbefüllung kann hilfreich sein (wie das Foto beweist) Darüberhinaus steigt der weibliche Zufriedenheitsquotient, wenn zusätzlich liebliches Trendbier ausgeschenkt wird. Dass allerdings mein Bratwurst- und Wurstverbrauch jetzt ebenso öffentlich wie tagesaktuell anhand einer Balkentabelle ablesbar und mit dem der Resthausbewohner vergleichbar ist (Danke Falk, Danke Excel!), entzückt mich irgendwie nicht wirklich.
Deutschland gucken war natürlich wieder im heimischen Hinterhof angesagt. Aber vorher hab ich kurzentschlossen gegen 15 Uhr noch beim Kölner Dom angerufen, um einen ungewöhnlichen Blick auf den Roncalliplatz, einen von drei offiziellen Viele-Leute-Gucken-Fußball-Orten, werfen zu können.
Wie schon in der Vergangenheit waren die Mitarbeiter der Kölner Dombauhütte so nett und flexibel, dass ich schon eine gute halbe Stunde später im Lastenaufzug nach oben gefahren wurde. Dann einmal quer durch die verschlungenen Winkel und Wege oberhalb des Deckengewölbes. Am Ziel angekommen war der Blick fantastisch und die Stimmung gut hör- und wahrnehmbar - aber erstens fehlte da oben ein Fernseher und zweitens ist es daheim dann doch schöner. Also schnell wieder aufs Rad geschwungen, an den David-Beckham-Polizeisperren vorm Kölner Luxushotel vorbeigeschlängelt und passend zum Anpfiff zuhaus gewesen. Nationalhymne hab ich zwar verpasst, aber wenn unsere Jungs so weiter spielen, höre ich die ja noch öfters...
PS: (Das doofe Wort "Public Viewing", so habe ich beschlossen, wird aus meinen Texten ab sofort verbannt. Über Vorschläge für schöne Alternativwörter wäre ich dankbar)
öffentliche Lifeübertragung
Susi am 20.06.06 21:28
Mir gefällt dieser Ausdruck auch nicht. Wie wär's mit "Gemeinschaftsgucken"?
Matthy aus Irland am 21.06.06 09:59
Massenfernsehen
Christian aus Paris am 21.06.06 14:55
Mit-alle-Mann-Fussball-Gucken
mecker am 27.06.06 16:46
Um seine Schweizer Mannschaft zum Sieg zu bimmeln, hat sich auch Bert auf den Weg nach Dortmund gemacht. Zu einem Blitzbesuch ist der Schweizer Bauer um 7 Uhr nach Nordrhein-Westfalen aufgebrochen, erst eine halbe Stunde vor Anpfiff konnte er das erste Mal mit seiner Glocke im Stadion bimmeln. Und um Mitternacht geht es schon wieder zurück in die Heimat, schließlich müssen die 20 Milchkühe daheim versorgt werden. Einer von ihnen wird inzwischen womöglich vor Kummer die Milch sauer, denn die dicke Glocke in Berts Händen baumelt eigentlich um den Hals von Kuh Selma.
Ein Klick, und schon bimmelt Selmas Glocke (mp3 audiofile)
Nur mal angenommen, ich würde eines meiner WM-Tickets verlieren, womöglich kurz vor Spielbeginn, in unmittelbarer Umgebung des Stadions (was mir Schussel durchaus passieren könnte). Und dann wäre derjenige, der das nicht personalisierte Ticket finden würde, so ehrlich, es beim Lost&Found-Schalter abzugeben. Ich aber würde mir denken: "Ticket verloren? Na egal, dann guck ich mir das Spiel halt zuhause vorm Fernseher an."
Sowas passiert nicht? Die Helfer im Dortmunder FIFA-Fundbüro sagen, das käme an jedem WM-Spieltag mehrfach vor. Ansonsten sind es vor allem Handys und Ausweise aus aller Herren Länder, die im kleinen Pavillon vorm Dortmunder Stadioneingang vorübergehend eine neue Heimat gefunden haben. Immer wieder gibt es von dort aber auch Erfolgsgeschichten zu vermelden: Zum Beispiel, wenn sich bei einem zu Recherche-Zwecken getätigten Anruf am anderen Ende plötzlich jemand in Trinidad meldet. Wenig später konnte der glückliche, in Deutschland weilende Besitzer ermittelt werden und selbst wieder nach Hause telefonieren.
Eigentlich fast ein Wunder, dass ich nach 45-minütigem "Hopp schwiiz" um mich herum, unterlegt mit penetrantem Kuhglockengebimmel noch mein Handy gehört habe, welches mir zum Pausenbeginn den Eingang einer neuen SMS mitteilte: "Goellner sitzt gelb" hieß es darin kurz und bündig, verbunden mit der Aufforderung des Hinz, mich genau dorthin zu bewegen. Dumm nur, dass ich "blau saß". Denn das bedeutete, von der blauen zur gegenüberliegenden gelben Tribüne einmal rund ums Stadion joggen zu müssen. Bei einer gefühlten Luftfeuchtigkeit von annähernd 100% in verbleibenden 11 Minuten Pause kein wirkliches Vergnügen.
Aber was tut man nicht alles, um die verschwitzten Kollegen Göllner und Hinz beim gemeinsamen Stadionbesuch in die Arme schließen zu könne. Und wie herrlich erst der Augenblick, als ich abgehetzt am Ziel ankam, um dort vom Kollegen Göllner telefonisch zu erfahren, dass Kollege Hinz sich in den Farben vertan habe. In Wirklichkeit war nämlich der grüne Sektor Treffpunkt - in Steinwurfweite von meinem eigenen, blauen Sitzplatz. Erfreulicherweise betätigte sich der Kollege Göllner dann als Auftragswürger.
P.S.: Falls Sie jemals das Vergnügen haben sollten, mit dem Kollegen Hinz im Auto an der Ampel zu stehen: Glauben Sie ihm bloß nicht, sollte er Sie mit einem "Grüner wird`s nicht!" zum Losfahren animieren.
Ich glaube da mußt du schon doller würgen. Auf nach Berlin - Deutschland wird Weltmeister !
Andreas Royer am 19.06.06 23:31
Herrliche Bilder, Kollegen! Wäre gerne dabei gewesen - allerdings nicht beim Joggen. Ihr kennt mich ja ;-) Grüße von Eurer Fiona Flanke!
Fiona Flanke am 20.06.06 11:45
Wer allergisch gegen Gedränge in öffentlichen Verkehrsmitteln ist, für den ist die WM kein gutes Pflaster. Es sei denn, man ist - wie ich - notorischer Zuspätkommer. Mit dem Anpfiff stellte ich mein Auto auf einem riesigen Dortmunder P&R-Parkplatz ab, der zu diesem Zeitpunkt voller Autos aber nachvollziehbarerweise menschenleer war. Dafür freute sich der Busfahrer an der Haltestelle, dass er was zu tun bekam und startete mit seinem einzigen WM-Fahrgast sofort zum Stadion.
Ganz anders war die Situation übrigens nach dem Spiel Argentinien gegen Serbien-Montenegro in Gelsenkirchen. Alle Versuche, den südamerikanischen Besuchern klar zu machen, dass im Bus nun wirklich kein Platz mehr sei, waren vergeblich. Und die Argentinier hatten Recht: Ein paar Knuffe hier, ein bisschen Geschubse da und schon passten noch 10 Leute mehr hinein...
Sollten sich die meteorologischen Ereignisse vom Sonntagabend wiederholen, erlebt das "Im-Wohnzimmer-vor-einem-stinknormalen-Fernsehgerät-WM-gucken" bei mir in den nächsten Tagen noch eine ungeahnte Renaissance. Denn bei aller Liebe zum Fußball: Was nutzt die tollste Leinwand, was bringt das schönste Open Air-Feeling, wenn im Augenblick des Anpfiffs der Himmel seine Schleusen öffnet? Mir jedenfalls waren die Herren Henry und Zidane plötzlich vollkommen egal. Stattdessen war Krisenmanagement angesagt: Wer rettet den Beamer? Wer die Stereoanlage? Und vor allem: Schnell vier Leute her, die die vier Ecken des Partyzelts sichern, während es von oben gießt wie aus Kübeln.
Als wir dann nach aber nach zehn chaotischen Gewitter-Minuten gleichmäßig durchnässt wieder im Trockenen saßen und über französische Männer fachsimpelten, deren Zeit abgelaufen ist, hab ich gedacht: Im Wohnzimmer wär es doch viiiiel langweiliger.
Ob Sie am Dienstagnachmittag gegen 16 Uhr Ihr Partyzelt nochmal abspannen sollten, erfahren Sie zum Beispiel
hier.
Da kehrt man zwischen zwei WM-Spielen kurz an den Rechner zurück, liest in den Einträgen der geschätzten WM-Blog-Kollegen und entdeckt Unglaubliches: Der Kollege Göllner, bei dem ich Stein und Bein geschworen hätte, dass er irgendwo zwischen Nordsee und Alpen das Licht der Welt erblickt hat, ist in Wahrheit in Rio de Janeiro geboren. (Siehe oberes Foto unten rechts) Oder können Bildunterzeilen lügen? Und Kollege Hinz hat bislang erfolgreich verschwiegen, dass Horst Hrubesch sein Halbbruder ist (siehe unteres Foto).
Naja. Wenn wir schon beim Outen sind, kann ja auch ich beichten, dass ich im zarten Alter von 13 Jahren offenbar mehr Lippenstift aufgetragen habe, als andere Jungs es in diesem Alter für gewöhnlich tun. Nee, ist natürlich Quatsch: Für kleines Geld druckt einem diese italienische Sammelbildfirma jedes gemailte Foto als echtes Klebebild. Und bei der Farbverteilung scheint eben ab und zu was durcheinander zu geraten. Aber zur Sicherheit frag ich nochmal meine Mutter, ob ich damals anders als die anderen Kinder gewesen bin.
PS.: Ich häng mich mal weit aus dem Fenster: Eben, beim Spiel Brasilien gegen Australien habe ich definitiv NICHT den kommenden Weltmeister gesehen.
PPS.: Wo ich mein Sammelalbum gerade in der Hand halte: Man stelle sich vor, Jürgen Klinsmann würde fünf Miroslavs Kloses (wie ich als schlechter Onomastiker erst jetzt erfahren habe, steht der Familienname VOR dem Vornamen) in die Nationalmannschaft berufen. Was gäb das für ein Durcheinander: "Abstoss von Klose, Klose passt auf Klose, der spielt ab auf Klose, Klose schießt, vorbei..."
Autsch,
Kim ist der Nachname, also sind es fünf Kloses.
Gruß,
olr
olr am 18.06.06 23:44
ppps:
wohl eher fünf klöse als miroslavs. oder doch kloses...??
f. am 19.06.06 08:57
Hallo!
Anmerkung zu ihrem "PPS": KIM ist nicht der Vorname sondern der Nachname! In Korea wird stets der Nachname als erstes genannt. Also macht ihr Vergleich bezüglich Herrn Klose keinen Sinn.
Mit freundlichen Grüßen, G. Ross
G. Ross am 19.06.06 09:01
sowas ähnliches hat doch der ecudorianische trainer mit den zwei tenorios auch gemacht. unverschämtheit! und ich bin beim einkleben auch noch drauf reingefallen... kann ich mich wohl von meinem plan, mein volles panini-album als anzahlung auf die aussteuer (oder wenigstens ein neues auto) zu verwenden, verabschieden ;-)
weiter so, euer blog ist super..!
astrid am 19.06.06 10:34
Wäre Herr Blatter nicht so ein Spielverderber, gäbe es an dieser Stelle ein schönes Hörbeispiel aus dem Kölner Stadion vom gestrigen Spiel Tschechien - Ghana. Denn wie auch bei den Ligaspielen stimmte der lokalpatriotisch orientierte Teil des Publikums gegen Ende der Begegnung den Kölner Karnevalsschlager "Viva Colonia" an. Dank der eingängigen Melodie dauerte es nicht lang, und auch der ghanaische Fanblock auf der Südtribüne stimmte mit ein. Aus dem Mund des Mannes neben mir klang die Liedzeile "Da simma dabei, das ist prihima" allerdings ein bisschen wie eine alte, afrikanische Volksweise: "Assimarawei, rassiprihiwa".
Nach dem Spiel wurde dann deutlich textsicherer mit eigenem Liedgut auf der Stadionwiese weitergesungen:
So feiern ghanaische Fans: Klicken und hören
Mein MP3-Recorder lag schon bereit, um nach Ende des Spiels gegen das vermeintlich amerikanische Kanonenfutter frenetische Jubelschreie der Italiener aufzunehmen. Doch Pustekuchen: In der Kölner Südstadt, wo sich in einer kleinen Seitenstraße über dreihundert fußballbegeisterte Italiener und italienische Sympathisanten versammelt hatten, war nach Spielschluss niemandem zum Feiern zu Mute.
Mir pfeifts noch in den Ohren, denn mich hatte es in den Fanblock verschlagen, der fest in ghanaischer Hand war. Nur so viel für den Moment: Gegen Ende dieses unglaublichen Spiels, welches Ghana eigentlich sogar 8: 0 hätte gewinnen müssen, wurde das in der Domstadt obligatorische "Steht auf, wenn ihr Kölner seid!" angestimmt, allerdings mit einer klitzekleinen Textänderung. Und während die Massen also ausnahmsweise "Steht auf, wenn ihr Ghana seid" brüllten, dachte ich: Na wer Papst ist, kann auch Ghana sein. Mehr Fotos und Impressionen gibts später, jetzt gehts schnell nach Italien, in wenigen Minuten ist Anpfiff.
well done Ghana. Good luck for the next game!
nchenga am 17.06.06 22:09
Ja, so ist es.
8:0 ist vielleicht übertrieben -
4:0 hätte wohl sein können.
:-)
Alle Achtung an Ghana!
Bin selbst im Stadion gewesen und es war gewaltig.
Viel Erfolg weiterhin!
Daniel Pidun am 18.06.06 03:11
Kann mich nur anschließen. Leistung von Ghana und die Stimmung im Stadion waren hervorragend!
Typisch für eine afrikanische Mannschaft war allerdings die Situation beim Elfmeter. Gyan schießt einfach drauf los - ohne Freigabe des Schiedsrichters. Dafür erhält er die gelbe Karte. Dann kommt, was kommen musste: den zweiten Ball setzt er an den Pfosten.
Marcus Bochem am 18.06.06 09:52
Wieder mal auf den Punkt gebloggt!
Ghana hat wirklich geil und die "Tscheschen" an die Wand gespielt, also warum nicht Ghana und Papst sein?
Abgesehen davon stelle ich mich mental darauf ein, demnächst auch noch Weltmeisterpapst zu sein.
franqee am 18.06.06 10:37
Diese Ghanaer sind wirklich große Klasse und das Spiel gegen Tschechien war eine Sensation - und was wir anschließend zu sehen bekammen im Spiel Italien gegen USA war eine ebenso große Frechheit.
Jetzt fehlt nur noch, dass man uns am Donnerstag beim ZDF mit einer Übertragung des Spiels Italien-Tschechien (anstelle des zeitgleichen Spiels Ghana-USA) um die Freude bringt, den Ghanaern dabei zuzusehen, wie sie sich mit einem Sieg über die USA in das Achtelfinale spielen.
Mehr noch - es wäre ein Skandal, wenn das ZDF dieses Spiel Ghana-USA nicht übertragen würde und ein typischer Fall altgewohnter europäischer Arroganz gegenüber Afrika, das eben nur als Notfall interessant ist und wenn wir uns als die guten (Entwicklungs)Helfer aufspielen dürfen.
Hans Dilley am 18.06.06 11:53
Die Ghanaer haben in der Tat ein super Spiel gezeigt. Auch lasse ich den Verweis auf die Schwäche der Tschechen nicht gelten, sie waren keineswegs meilenweit von ihrer Normalform entfernt, sondern haben auch ordentlich gespielt. Insgesamt freue ich mich sehr, dass es endlich eine afrikanische Mannschaft geschafft hat!
Noch schöner als dieser Sieg ist jedoch die Tatsache, wie gut die Stimung im Stadion war und wie friedlich Ghanaer, Tschechen und Deutsche zusammengefeiert haben (die Laola machte 6-mal am Stück die Runde)! In Tagen, in denen schon wieder vor überzogenem Nationalgefühl gewarnt wird (unfassbar eigentlich) tut es gut diesen Stimmen unsere Stimmen von ca. 25.000 Rheinländern im Stadion mit "steht auf, wenn ihr Ghana seid" entgegenhalten zu können! Schade nur, dass man uns Kölnern nur noch ein Achtelfinale gönnt........
Hannes am 18.06.06 22:23
Wer meinen amerikanischen Schwager auf die Leistung der US-Mannschaft im ersten Spiel gegen Tschechien anspricht, wird auf patriotische oder von Nationalstolz geschwängerte Aussagen lange warten müssen: "They suck" fasst er sein sportliches Fazit in zwei Worte. Über den United States-Schal, den ich in Gelsenkirchen gefunden habe, freut er sich trotzdem. Trotz aller Kritik wird er ihn tragen: Heute Abend, wenn er sich die nächste Niederlage seiner Mannschaft bei seinem Lieblingsitaliener in Bielefeld angucken wird.
"Ich hab den Weltmeister gesehen", diese Aussage hörte ich nach diesem Spiel mehr als einmal im Gelsenkirchener Stadion. Schon während der zweiten Halbzeit war Ungewöhnliches zu beobachten: Selbst Anhänger von Serbien - Montenegro applaudierten bei Tor Nummer vier, fünf und sechs, weil sie (fast) neidlos anerkannten, dass die argentinische Mannschaft an diesem Tag einfach überragend war. Nach dem Spiel gab es dann ein mir bislang unbekanntes Phänomen zu beobachten: Zuschauer aus Serbien, Japan, England und wasweißichwoher baten darum, sich zusammen mit in himmelblau-weiß gekleideten argentinischen Fans fotografieren lassen zu dürfen. Und die wiederum verpassten auch so manchem vollkommen Unbeteiligten im Überschwang eine neue Wangenfarbe.
Ich habe das Spiel nur im ICE verfolgt, auf der Fahrt von Dortmund nach Mannheim. Immer wieder wurde von der freundlichen Männerstimme durch den Lautsprecher ein Tor mehr durchgesagt. Beim 4:0 gab es schon bewundernde Gluckser im Großraumwagen. Das 5:0 konnte man kaum verstehen, weil die Zugbegleiterin:"Noch jemand zugestiegen?" blökte und beim 6:0 lachten wir alle nur ungläubig (ein Lachen aus der Angst geboren?). Bin gespannt, wie's weiter geht!
Angi am 16.06.06 23:14
"Willst Du nicht langsam mal wieder zum Frisör? Oder lässt Du Dir jetzt so ne
Fußballer-Vokuhila-Matte
wachsen?", musste ich mich letztens fragen lassen. Man muss Frauen ja nicht immer nachgeben, dachte ich, und zuppelte trotzig meine Haare im Nacken zurecht. Heute morgen allerdings, vorm Badezimmerspiegel, erinnerte ich mich an Bild Nr. 562 in meinem Panini-Album (komplett, schon seit 2 Wochen, bis auf die doofe Briefmarke). Zwei Stunden später saß ich beim Frisör.
HAHA! Ich habe die Briefmarke schon im 2. Paket gehabt...
Aber wenn man so durch die Bilderchen blättert, findet man noch viel schlimmeres, als so eine Vokuhila...
Markus am 16.06.06 22:09
Das sieht nach einem Sieg in der letzten Minute der regulären Spielzeit aus. Jule wird dir auf ewig dankbar sein, nicht wahr!! Bei haarigen Sachen sollten man zuweilen auf die Frau an seiner Seite hören. Bevor die Haare auf den Zähnen bekommt. Grüße aus Berlin von Frank.
Frank Menke am 18.06.06 01:12
Auf dem Weg ins Stadion treffe ich Crazy Man (der seinen Ausweis zückt, als er mein Stirnrunzeln bemerkt). Eigentlich, so sagt er, sei er Künstler. "Aber Kunst läuft grad schlecht." Deshalb ist er jetzt quasi nebenberuflich Pfandsammler. "Ich bin überall, wo getrunken wird" erzählt er und sortiert akribisch sein Leergut auf seiner Sackkarre. Nicht nur Unmengen an Pfandflaschen sind an diesem Nachmittag seine Ausbeute, auch ein kleiner Turm an Pfandbechern steckt zwischen den prall gefüllten Müllsäcken. "Die Leute sind oft zu faul, sich wegen eines Euros nochmal anzustellen." Crazy Man ist vermutlich der einzige, der sich über den schnarchnasigen Service an den WM-Getränkeständen freut. Den Gegenwert seiner Ladung will er mir allerdings nicht verraten. 30 Euro? Crazy Man winkt ab. 50? Er lächelt. "Du darfst nicht vergessen, es sind ja auch eine Menge an Bechern dabei." Doch es gibt auch "schlechte" Tage. Zum Beispiel als die Polen am vergangen Freitag in Gelsenkirchen spielten. Da füllte sich seine Karre kaum: "Die haben ihr Bier alle aus Polen mitgebracht. Und ich kann ja schlecht zum Pfandeintauschen nach Warschau fahren."
Klitschnass im Regen vor der Open Air-Leinwand? Nicht beim Hinterhof-Viewing in Köln-Nippes. Hier wird kurzerhand der Standort verlagert. Fand die erste Hälfte trotz gegenteiliger Wettervorhersage noch mutig unter freiem Himmel statt, waren in der Halbzeitpause acht starke Arme notwendig - schwupps, stand die Leinwand ganz woanders. Trockenen Hauptes wurde dann bis zur 93. Minute weiterdoziert. Meine Top 3:
1. Platz: Jule: " Wahnsinn, wie schnell der ist. Und sieht noch so gut aus dabei."
2. Platz: Unbekannt, zwei Reihen hinter mir: "Der Podolski hat ja zwei Heimaten."
3. Platz: Steffen Simon: "So, die Torpflege ist beendet."
Das Ende vom Lied: Ich Achtelfinalskeptiker revidiere: Finale, ohohoho, Finale ohoooo.
Sei doch froh, dass Jule soviel Wert auf gutes Aussehen legt ;-)
Marion am 15.06.06 13:33
Alle Augenpaare verfolgen gebannt das Geschehen auf der Leinwand. Bis auf eines, und das gehört Sonic. Sein einziges Interesse gilt den Bockwürstchen, die abseits der Projektionsfläche auf ihr Ende im Hot Dog-Brötchen warten.
Domke, Du heißer Hund, Du.
Olli am 15.06.06 13:54
Olli - fishing for compliments oder was?
Marion am 15.06.06 15:15
Das Wort Sonic© (wie in FIFA Sonic 2006©) darf von Dir nicht benutzt werden.
Die Tantiemen werden in Kürze Deinem Bierkonto belastet.
woodzz am 16.06.06 21:58
Ein letzter Nachtrag zum gestrigen Tag: Nachdem ich den Verzehr der unleckersten Rievkooche, die ich jemals gegessen habe, ohne gesundheitliche Schäden überstanden habe, will ich noch ein kurzes Fazit des gestrigen Abends beim Public Viewing auf dem Kölner Heumarkt nachschieben: Auch wenn die Größe und Darstellungsqualität der Riesenleinwand (40 Quadratmeter 60 Quadratmeter sinds sogar, sagt Kollege Peter und die Stadt Köln) auch aus der letzten Reihe nichts zu wünschen übrig ließ: Die Stimmung war, abgesehen von den ersten Reihen vor der Bühne mit rund 50 Jubel-Brasilianern, eher mau. Statt Samba-Rhythmen, kaffeebrauner Haut und brasilianischem Getrommel dominierten vorne in der Menge vor allem kroatische Jugendliche das Bild, deren Enttäuschung am Ende des Spiels sogar in Aggressivität umschlug. Und hinten, wo ich stand, war man weniger mit dem Spiel als vielmehr mit Gott und der Welt sowie den mal wieder unsäglichen Kommentatorensprüchen beschäftigt. Das nächste Match dann doch lieber wieder im kleinen Kreis bei uns im Hinterhof.
P.S.: "Order three, give it to me, Order three, give it to me" lautete auf dem Heumarkt die lautmalerische Absprache zwischen mehreren Englandfans. Hintergrund: WM-Bürokraten glauben, der Alkoholkonsum lasse sich dadurch einschränken, dass pro Fan nur noch drei Bier auf einmal ausgegeben werden.
Domke, der Master-Blogger. Keep it up...
Olli am 14.06.06 19:05
Während ich gestern Abend am Kölner Heumarkt auf der Suche nach Brasilianerinnen war (für schöne Fotos), zuppelte mich ein japanischer Fan am Arm und bat darum, seine Meinung zum Spiel Japan - Australien im Bild festzuhalten:
Find ich fast besser als aufgetakelte Brasilianerinnen. :-)
Stefan am 14.06.06 16:15
Möglicherweise hat das Ergebnis (1:3) dem Sohn Nippons das Leben gerettet. Denn er und seine Landsleute feiern Siege doch traditionell so gern mit Brückensprüngen.
Frank Menke am 14.06.06 16:28
Podolski dribbelt trotz Bierbauch zwei Brasilianer aus, der komplette Sturm spielt barfuß. Ein schöner Pass auf Adriano, der zieht im Dunkeln ab und trifft - zwar nicht das Tor, dafür aber den dahinter stehenden Polizeiwagen. Eine sichtlich gernervte Beamtin steigt aus - Spielabbruch droht. Meine Vermittlungsversuche scheitern: "Was wollen Sie denn, halten Sie sich da raus", werde ich angeraunzt. Ihr Vorschlag an das multinationale Team, "spielen sie doch quer statt längs auf dem Rasen", zeugt von ausgesprochen wenig Verständnis für diese Sportart. Beim Querspielen würde der Ball in kürzester Zeit im zehn Meter entfernten Rhein landen. Wenig später sorgt dann das Schichtende der Beamtin für eine Deeskalation der Lage. Dann ein Gegenangriff auf das andere Tor. Und schon wieder vorbei, schon wieder ein Problem: Der Ball kann erst kurz vor den Behältern mit Erdbeer, Banane und Straciatella in einer Eisdiele gestoppt werden.
"Wir spielen besser als die Brasilianer", ruft mir Murat zu, bevor er seinen aus England angereisten Mitspieler mit einem "Go ahead" in den freien Raum schickt. Zumindest heute Abend muss ich dem jungen Türken aus Köln-Porz Recht geben.
Klasse beschrieben, habe sehr geschmunzelt :) Danke und Gruss, T.
Thomas am 15.06.06 21:41
Man stelle sich vor, in Rio würde es beim Karneval eine "Zuflussbegrenzung" geben. Die Copacabana würde in vier Zonen eingeteilt und auch, wenn noch reichlich Platz für weitere Zuschauer vorhanden wäre, dürften nur dann Feiernde nachrücken, wenn ebenso viele Personen das Areal verlassen. Nein, viel zu weit her geholt: Bleiben wir in Köln und stellen uns den Heumarkt an Rosenmontag vor.
Wer auf die Idee käme, den Platz nach dem 5.000. Besucher dicht zu machen, bekäme von den nachrückenden 15.000 Jecken vermutlich einiges zu hören. Doch bei der WM geht die Stadt Köln plötzlich auf Nummer sicher. Obwohl auf dem Heumarkt, der offiziellen Public-Viewing-Area, beim Spiel Brasilien gegen Kroatien selbst Flip-Flop-Träger keine Angst vor blauen Zehen haben müssen, ist bei rund 10.000 Füßen erstmal Sense. Die Folge: Auch nach Spielbeginn bilden sich immer wieder Schlangen vor den Eingängen. "Nur für jeden, der geht, darf einer rein" lautet die strikte Anweisung für die Sicherheitskräfte. "Sonst stürzt die Tiefgarage ein", so die ernst gemeinte Erklärung einer Ordnerin. Schade nur, dass so auch die Stimmung außen vor bleibt.
P.S: Die große Freude, dass es zur tendenziell gekochten "German Bratwurst", die einem in den WM-Stadien kredenzt wird, endlich mal eine vernünftige Alternative in Form des kölschen "Rievkooche" gibt, weicht schon nach dem ersten Bissen der angewiderten Ernüchterung. Und mit dem exorbitanten Fettgehalt dieser fiesen Kartoffelpuffer kämpfe ich noch jetzt, Stunden später.
Aller Fingerjuckerei zum Trotz: Das war ich nicht. Ich vermute vielmehr, dass diese Autofenstersteckfahne entweder Materialermüdung zum Opfer fiel oder aber ein tschechischer Autofahrer zu schnell zum 21-Uhr-Spiel nach Hause wollte. Die Fahne wird jedenfalls beim nächsten Hinterhofviewing einen Ehrenplatz bekommen. Es sei denn, ich finde in Köln doch noch das 32-teilige Wimpel-Set.
War es Frust wegen der hohen Niederlage oder hat der Besitzer einfach eingesehen, dass ein Fanschal im Sommer in die Kategorie "Überflüssiger Merchandise-Mist" gehört? Jedenfalls bin ich vor dem Gelsenkirchener Stadion fast drüber gestolpert. Und dann hab ich für einen kurzen Moment verdrängt, was ich von George W.s Land wirklich halte und mir aus Mitleid, dass die USA an diesem Tag (sportlich betrachtet) vernichtend geschlagen wurden, diesen Yankee-Fummel umgehangen. Aber bei allernächster Gelegenheit reiche ich das Teil weiter - entweder an meinen amerikanischen Schwager oder an meine iranische Redaktionskollegin.
Sowas kann auch nur gelingen, wenn fast die ganze Nation vorm Fernseher hockt und alle, die das nicht tun, nett sind: 19.45 Uhr war das Spiel USA - Tschechien in Gelsenkirchen aus, schon eine viertel Stunde später saß ich dank des netten Bogestra-Busfahrers in meinem drei Kilometer vom Stadion entfernten Auto ("Da vorne steht ihr Wagen? Na, dann halt ich da mal außerplanmäßig...") und um kurz vor Neun trudelte ich gerade rechtzeitig zur Nationalhymne in Italien ein. Na zugegebenermaßen nicht ganz in Italien. Aber die rund 300 Italiener in einer kleinen Straße der Kölner Südstadt ließen einen fast vergessen, dass man sich noch nördlich der Alpen befand. Was folgte, waren 90 Minuten voll italienischer Fußballemotionen - mit allem was dazugehört. Natürlich lief im Fernseher kein deutsches Programm, stattdessen brabbelte ein italienischer Kommentator ohne Unterbrechung. Fast war ich versucht, mir den Herrn Kerner herbeizuwünschen, aber nur, weil der zwischendurch ganz kurz auch mal nichts sagt. Am faszinierensten fand ich übrigens, dass es das italienische Fernsehen schafft, in einer einzigen Verletzungsunterbrechung die komplette Zusammenfassung der letzten 15 Minuten zu zeigen - in solch einem Schnelldurchlauf, dass einem schwindelig wird.
Apropos schwindelig: Dem Wirt der italienischen Bar, vor dessen Tür das alles stattfand, war zwischendurch auch ansatzweise schwindelig, nein eigentlich war er kurz vorm Nervenzusammenbruch. Um ein Haar hätte das Kölner Ordnungsamt das Spektakel schon kurz vor dem Anpfiff abgepfiffen. Denn ohne Genehmigung geht nördlich der Alpen bekanntlich gar nichts. Doch dann ging alles gut: entweder weil die Ordnungshüter vor der geballten mediterranen Freude kapitulierten oder sich vom Fußballfieber anstecken ließen.
Ich lebe momentan in England und muss mir die englischen Kommentare anhören. Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sage, aber da wünscht man sich auch Herrn Kerner und Co...
Katrin am 13.06.06 11:37
Als ich vorhin das erste Mal auf dem Weg zum Gelsenkirchener Stadion war, begegneten mir einige amerikanische Fans, die wohl zu oft das XXL-Menü bestellt haben. Das war wohl zuviel der Gehässigkeit in Gedanken - kleine Sünden bestraft der liebe Gott bekanntlich sofort.
...oder, wie die Herren in XXL wohl sagen würden: Shit happens.
Marion am 12.06.06 21:49
Hallo Stefan, hallo WDR!
Ein schönes Weblog beschert ihr uns da in der Soccer-Diaspora Kanada. Danke! Das sind genau die Schmankerln, die man sonst vergeblich sucht. Grüße aus dem Wilden Westen, Herby
Northern_Sun am 13.06.06 01:39
Ein Klassiker: Ich stehe vor dem Eingang des Gelsenkirchener Stadions, wo heute besonders penibel kontrolliert wird und mir fehlt etwas wesentliches: meine Karte. Muss sie in meinem Chaos im Auto vergessen haben. Super Aktion bei 33 Grad Außentemperatur, einer vier Kilo schweren Tasche über der Schulter und einem Parkplatz in drei Kilometer Entfernung. Dumm außerdem: Das Spiel beginnt in 28 Minuten. Hilft alles nix, Beine in die Hand. Überraschung dann am Auto: keine Karte. Meine Tasche dann nochmal genau durchsucht, naja und der Rest - ein Klassiker eben...
Kein Wunder bei der Dauerhatz zwischen hier (NRW-West)und dort (NRW-Ost) und wieder zurück (Mitte). Darauf ein kühles Helles! Schönen Feierabend trotzdem ;-)
Marion am 12.06.06 21:47
Und ich bin sicher, wenn mehr Fensterfläche zur Verfügung gestanden hätte, würden alle 32 Teilnehmerländer im Fahrtwind flattern. Für Nachahmer: Aufpassen, dass die Polizei dem bunten Geflatter kein Ende bereitet.
"Aufpassen, dass die Polizei ..."
- man weiß doch, dass man in Deutschland ist...
Gregor am 12.06.06 21:48
Genau,denn daß entspricht nicht den
gebenen Richtlinien und Vorschriften!lol
Ilka am 13.06.06 17:21
Da war ich wohl ein bisschen voreilig, was die Stimmung im Kölner Stadion angeht. In der zweiten Halbzeit verebbte die La Ola schon im ersten Durchlauf regelmäßig dort, wo sich die Prominenz auf den Business-Seats lümmelt und auch von den zigtausend Portugalfans ist außer sporadischen "Figo", "Figo"-Rufen kaum noch etwas zu hören gewesen. Lediglich die das gesamte Stadion beschallende angolanische Blaskapelle schien dem Duracell-Hasen Konkurrenz machen zu wollen. Eindeutiger Höhepunkt im zweiten Durchgang: als in der 72. Spielminute der kölsche Karnevalsschlager "Viva Colonia" angestimmt wird. Und zumindest was den Mitsingfaktor angeht, hat Grönemeyers WM-Hymne dagegen keine Chance. Insgesamt hinterlässt der schöne Abend allerdings einige offene Fragen, zum Beispiel: Warum um alles in der Welt verlassen immer wieder Hunderte von angeblichen Fußballfans das Stadion schon VOR Spielende, nur damit sie mit einem hauchdünnen Vorsprung am Auto sind? Warum waren im offiziell ausverkauften Stadion hier und da sichtbare Lücken in den Zuschauerreihen? Warum ist die Getränkeversorgung in Köln mindestens genauso chaotisch organisiert wie in Dortmund? Was ist der Vorteil von einem "Braternoster" gegenüber einem herkömmlichen Bratwurstgrill? Vor allem aber: Warum ist Mutter Beimer alias Marie Luise Marjan eigentlich überall, wo eine Kamera in der Nähe ist?
P.S.: Wir hier in Köln haben das schönste Zweitligastadion der Welt.
Die Frage, was der Vorteil von einem Braternoster gegenüber einem herkömmlichen Bratwurstgrill ist, will ich gerne beantworten.
Im Braternoster werden gleichzeitig ca. 100 Bratwürstchen gegrillt. Die Bratwürstchen fahren dabei wie im Paternosteraufzug an den Brennern vorbei. Alle 30 Sekunden werden 10 frisch gegrillte Bratwürstchen fertig und die Nächsten machen sich auf die Reise.
Als Fan bekommt man so auch bei großem Ansturm auf den Kiosk eine optimal gegrillte Wurst fürs Geld.
Die Zeiten von halbgaren, warmgehaltenen oder verbrannten Würstchen sind damit vorbei!
Außerdem schmoren die Bratwürstchen nicht im eigenen Saft vor sich hin, denn überschüssiges Fett tropft ab und muß nicht mitgegessen werden.
Bei den anderen Fragen muß ich leider passen.
Gruß
Marco
(Braternoster-Maschinist)
Marco Euskirchen am 14.06.06 16:37
Danke für die Aufklärung an der Bratwurstfront, Marco. Ich werde es mal auf einen Versuch ankommen lassen. Und dennoch: So ganz ohne Holzkohle fehlt der Wurst doch irgendwie was...
Stefan am 15.06.06 13:18
So habe ich mir WM-Atmosphäre vorgestellt: Wenn das Spiel mal für ein, zwei Minuten verflacht, unterhält sich das Publikum kurzerhand selbst und lässt die La Ola durchs Stadion wellen. Auf der Tribüne gegenüber gibt die angolanische Blaskapelle alles, und rechts neben mirwird alles beklatscht, was sich auf dem Feld bewegt, ganz egal ob gerade Angolaner am Ball sind oder Portugiesen.
In der Reihe vor mir hat sich eine Frau als Ball verkleidet, inklusive Kunstrasen mit aufgeklebten Toren als Kopfbedeckung. Und als eine viertel Stunde nach Spielbeginn ein Hubschrauber hinter der Südtribüne startet, habe sicherlich nicht nur ich mich gefragt, wo Franz Beckenbauer jetzt schon wieder hin will. So, jetzt mal wieder Fußball gucken.
P.S.: Gruß an Kotti und Sascha, die draußen vor dem Eingang sitzen. Die beiden Kölner hab` ich kurz vor Spielbeginn auf der Wiese vorm Stadion außerhalb der FIFA-Bannmeile getroffen. Kleinen Grill dabei, lecker selbstgemachten Salat, kühles Bier und WDR2 im Radio. „WM-Atmosphäre schnuppern“ wollten sie und das Wetter schrie ja förmlich nach einer selbst gegrillten Wurst. „Das Feuerchen loderte schon, da kam so ein ‚Einmal-im-Jahr-bin-ich-wichtig-Ordner“, erzählte mir Kotti, "da mussten wir die Glut löschen". Wobei es ein bisschen ungerecht ist, dem Ordner deshalb böse zu sein, Kotti, wahrscheinlich hat er nur auf Befehl von Sepp B. gehandelt.
Hallo Stefan,
danke für den "netten" Bericht und das Foto. Unser Abend ist auch ohne Grillen noch sehr nett verlaufen :-)
Grüße aus Köln
Sascha & Kotti
Sascha am 13.06.06 13:17
Die gute Nachricht: Es gibt noch Tickets für das Spiel Portugal – Angola. Die schlechte: Sie sind nur auf dem Schwarzmarkt vor dem Stadion zu bekommen und kosten mehr als das doppelte des regulären Ticketpreises. Und außerdem ist es offiziell verboten. Dumm zum Beispiel für die Gruppe von Engländern, denen kein noch so horrender Preis zu teuer war. Portmonee gezückt, gezahlt und noch bevor sie die ersehnten Karten in Händen halten konnten, war das Kölner Ordnungsamt zur Stelle. Doch viel Fans schrecken die Kontrollen nicht. „Spätestens fünf Minuten nach Anpfiff fallen die Preise und dann schlag ich zu“, erzählt mir ein älterer Herr mit Krawatte und Einstecktuch.
P.S.: An alle Kölner mit gut gefüllter Brieftascher: jetzt nicht noch loshetzen, das Risiko ist zu groß. Lieber schön entspannt zuhause vorm Fernseher gucken.
Mal fernab von Fussball & Co. : Ist das die aktuelle Schreibweise der französischen Geldbörse?! Dann distanziere ich mich spätestens jetzt von sämtlichen versuchten und durchgeführten deutschen Rechtschreibreformen! :)
Thomas , Köln am 15.06.06 17:14
"So jetzt mal zurücktreten bitte! Wir woll`n ja nicht, dass der Bus sich in eine Sardinendose verwandelt, woll?" Elmar ist unüberhörbar Dortmunder und sorgt nach Ende der WM-Spiele im Dortmunder Stadion für einen geordneten Abtransport der Zuschauer zu den weit entfernten Park&Ride-Parkplätzen. In der Hand eine Liste, in die er seine abgefertigten Linienbusse akribisch einträgt, versucht er, den von der Zentrale vorgegebenen Zwei-Minuten-Takt halbwegs einzuhalten. Das gelingt natürlich nicht immer, "im Augenblick sinds`s eher drei Minuten, woll?" - vor allem nicht dann, wenn er von ratlosen Schweden oder Trinidadern auf Englisch bestürmt wird: "Tu se reelweeischtäschn sis wey! Hier only tu se Universitätsparkplatz".
Selbst im Augenblick des größten Ansturms bleibt Elmar freundlich, nutzt sein lang zurückliegendes Schulenglisch und wirft zwischendurch sogar typisch deutsche Verhaltensweisen über Bord: "Watt trag ich hier eigentlich in die Liste ein? Ist doch eh alles außerplanmäßig. Hauptsache die Busse kommen überhaupt..." Als dann wieder ein Schwung jubelnder Trinidader an der Bushaltestelle eintrifft, ist unser Gespräch ebenso freundlich wie abrupt beendet: "So, jetzt muss ich mich mal um den Sicherheitsbereich kümmern." Denn bei aller Liebe: selbst zu WM-Zeiten ist der Platz neben dem Fahrer freizuhalten.
Was ist schlimmer, als eine halbe Stunde lang für Getränke anzustehen, während wenige Meter entfernt, aber hinter Mauern verborgen, ein WM-Spiel läuft? Wenn es in dem Augenblick keine Becher mehr gibt, wenn man endlich an der Reihe ist. Was nach schlechtem Scherz oder zumindest katastrophaler Organisation klingt, ereignete sich genau so beim Spiel Schweden gegen Trinidad/Tobago. Der Getränkeausschank während der WM wird von völlig anderen Anbietern durchgeführt, als von denen, die im jahrelangen Bundesligaalltag Erfahrung gesammelt haben. Die Folge: Völlig überfordertes Personal und erhebliche Schwächen in der Logistik.
Wer in der Schlange steht, kann beim schal werden der Biere zugucken (oder schmeckt diese amerikanische Plörre vielleicht auch frisch gezapft schon so?). Und während sich die Servicekräfte hinter der Theke gegenseitig auf die Füße treten, wird die Schlange länger und länger. Immerhin bleibt genügend Zeit um sich mit anderen Fans gemeinsam Fragen zu stellen: Warum eigentlich wird das koffeinhaltige Erfrischungsgetränk in mühevoller Handarbeit aus 0,5 Liter-Plastikflaschen in 0,5 Liter Plastikbecher umgefüllt? Und wer ist auf die verrückte Idee gekommen, die Ketchup- und Senfspender direkt vor den Kassen hinzustellen? Jede Wurstbesenfung verlängert die Wartezeit um gefühlte zwei Minuten. "Organisationsweltmeister werden wir jedenfalls nicht", meckert ein entnervter Fan im Gehen. Da ist das erste Drittel der zweiten Halbzeit bereits vorüber.
Das war das unterhaltsamste, torchancenreichste, fröhlichste und vor allem farbenprächtigste 0:0, dem ich in meinem Fußballfanleben bislang live beiwohnen durfte. Und weil man ja nie weiß, inwieweit einem die Euphorie im Stadion nur etwas vorgaukelt, habe ich mich nach Spielende telefonisch bei Freunden Zuhause rückversichert: War das wirklich so gut? Kam die Stimmung vor dem Fernseher ähnlich enthusiastisch rüber? War das auch auf der Großbildleinwand solch ein blaugelbschwarzrotes Farbenmeer? Ja, wurde mir versichert, es war so.
Doch nur wer im Dortmunder Stadion dabei war, weiß wie es sich anfühlt, wenn einem ein Trinidad-Fan voller Freude seinen "Warriors"-Schlachtruf von hinten ins Ohr brüllt. Und nur im Schatten der Nordtribüne entschuldigen sich nach Spielende bärtige Wikinger (siehe oben links), dass sie aufgrund des Ergebnisses nicht aus vollem Herzen in die Kamera lächeln können. Ich möchte nicht wissen, wie diese Wikinger strahlen, wenn Schweden gegen England gewinnen sollte.
P.S.: Falls sich jemand wundert, warum ich von allem, was sich IM Stadion abspielt, KEINE Fotos veröffentliche: Fragen Sie Herrn Blatter.
lieber DON domke,
es ist mir eine freude deine kommentare zu lesen, auch wenn ich zugegebenermaßen neidisch auf deine akkreditierung bin. übrigens: coole konstruktion beim heimkino - respekt! das bier lief bestimmt auch besser als im stadion, oder?
PS: besonders gefreut hat mich aber deine einsicht, das bielefeld in der übernächsten saison wieder gegen burghausen spielt und der fc dann das schönste erstliga-stadion hat.
uwe am 12.06.06 10:49
Inmitten einer Gruppe Trinidader sitze ich im Bus, der mich vom Park&Ride Parkplatz zu meinem ersten WM-Spiel bringt. Die Hände und Arme von Rain (so einen Vornamen kann es auch nur in einem Land mit 25 Grad Durchschnittstemperatur im Jahr geben) sind über und über mit schwarzem Filzstift beschrieben, denn ihre Freunde sitzen auf unterschiedlichste Blöcke im Dortmunder Stadion verteilt. Damit sie sich wiederfinden, hat sie kurzerhand die Zahlen der Blöcke, Reihen und Sitze auf ihre Haut gemalt. Als ich genauer hingucke, muss Rain grinsen und sagt in vorbildlichem Deutsch: "Prost! Ich bin beschwipst!". Warum auch immer: Ausgerechnet das ist der einzige deutsche Satz, den sie kann - und den hat sie zur Sicherheit auch noch auf ihrer Hand verewigt.
Fast vergessen zu erwähnen: Die Bilanz unseres ersten Hinterhofviewings : Über 40 Bratwürste und eine Scheibe vakuumverpackter Grillkäse (Vegetarischer Grillwurstersatz - geht garnicht!) Über den Bierkonsum wird der Mantel des Schweigens gedeckt, nur so viel: Vier Wochen lang hält das keiner durch. Floskeln waren zum Glück Mangelware und die meisten waren durchaus um Objektivität bemüht ("Klar war das eigentlich ne Schwalbe, aber der darf das, hatte ja das richtige Trikot an.")
Wenn das Wetter mitspielt, wird der Hinterhof in den nächsten Wochen noch des öfteren zur nicht-FIFA-lizensierten Fußballguckarena.
Das Schockierendste des Abends: Die noch kurz vor Spielbeginn erstandene Fahne mit den Farben aller Teilnehmerländer offenbart Unglaubliches. Was bitteschön macht Israel bei der WM? Natürlich nichts.Und das eine offizielle, korrekt bedruckte WM-Flagge nicht für 1,99 Euro zu haben ist, hätte mir eigentlich auch vorher klar sein müssen....
naja, warum nicht israel? ist es so schlimm? kannst ja "voraussichtlich 2010" drunter schreiben
exilkoelner am 11.06.06 12:07
Gut möglich, dass die Geschäftsidee in drei Wochen schon besser funktioniert. Aber am Eröffnungsabend sein Restaurant als fußballfreie Zone zu bewerben, ist ähnlich erfolgsversprechend wie Eisverkauf am Südpol. Gut, dass der Gastronom zweigleisig fährt: Fünf Meter weiter bekommt man vor den Fernsehern im Openair-Bereich des Stadtgartens schon eine Stunde vor Spielbeginn kein Bein mehr an die Erde.
Vielleicht lag es daran, dass ich mich gestern ebenso öffentlich wie abfällig über die um sich greifende Autobeflaggung in Köln geäußert hatte. Jedenfalls sind meine Versuche erfolglos geblieben, unseren Hinterhof dem Anlass entsprechend etwas festlich zu schmücken. Natürlich nicht in dumpfem schwarzrotgold, sondern am liebsten mit einer Girlande, auf der die Flaggen aller Länder friedlich nebeneinander hängen. Aber anscheinend war ich nicht der Einzige mit dieser ebenso völkerverbindenden wie schmückenden Idee. "Ausverkauft!" musste ich mir in fünf Geschäften und Kaufhäusern anhören und bei einer Fahrt durch die Kölner City wurde mir auch klar, warum: Weil es so mancher in der Stadt übertrieben hat:
Was ist das denn? Gähnende Leere auf dem Kölner Roncalliplatz, der als zweitgrößte Public Viewing-Area der Stadt dient.
Und das, kurz bevor Claudia Schiffer mit Pele bei der Eröffnungsfeier um die Wette strahlen wird? Die Großbildleinwand im Schatten des Doms steht, doch statt grünem Rasen strahlt den verwirrten Fans in großen Buchstaben ein unerfreulicher Hinweis von der Leinwand entgegen: "Herzlich willkommen in Köln! Hier auf dem Roncalliplatz nur Eröffnungsfeier. Live-Übertragung Deutschland-Costa Rica nur auf dem Heumarkt." Statt Fußball, so erzählt mir einer der zur Untätigkeit verdonnerten Ordner, würde hier vor der Riesenleinwand am Abend für eine Opernaufführung geprobt.
"Das ist doch Vollverarsche" meint ein aus Wuppertal angereister Deutschland-Fan, der wie hunderte Andere nicht im Traum damit gerechnet hat, dass ausgerechnet das deutsche Eröffnungsspiel hier nicht übertragen wird. Wenig später sorgt die Zwangsumleitung der Fußballfankarawane für ein Verkehrschaos rund um den Dom. Und ich bin froh, dass ich mich fürs Hinterhofviewing entschieden habe.
Nur dumm, dass ich mich mit dem knappen Kilogramm an Infos, die man mir gestern im Kölner Pressezentrum in die Hand gedrückt hat, nicht noch in aller Ruhe für eine Woche bis zum Beginn der WM zurückziehen kann. Womit fange ich an? Mit dem Grußwort unseres Ministerpräsidenten ("Dear soccer fans from near and far!“)? Oder mit dem "Willkommen in Deutschland“-Faltplan? Der suggeriert doch tatsächlich, die DFB-Mitgliederzahl (6,3 Millionen) zähle neben Währung, Hauptstadt, Vorwahl, Zeitzone und Einwohnerzahl zum Elementarsten, was man über dieses Land wissen muss. Keins von beidem: In den verbleibenden Stunden bis zum Anpfiff werde ich mir stattdessen wohl das 90 Seiten umfassende FIFA-Disziplinarreglement zu Gemüte führen. Denn schon beim flüchtigen Querlesen habe ich meine erste Wissenslücke schließen können („Artikel 49, Raufhandel: Ein Spieler, der sich an einem Raufhandel beteiligt, wird für mindestens sechs Spiele gesperrt“). Und wenn dann noch Zeit bleibt, kauf ich Wimpel - nicht fürs Auto, sondern für den Hinterhof.
P.S.: Kann mir mal jemand erklären, was genau einen Raufhandel von einer Tätlichkeit unterscheidet? Oder ist der FIFA da beim Copy&Paste eine Formulierung von 1954 durchgerutscht?
Ganz ehrlich: Die WM hat noch gar nicht begonnen, da hat es mich schon mehrmals gejuckt, diese albernen Ins-Autofenster-Einsteck-Fähnchen einfach...
Natürlich hab ich`s nicht gemacht, aber gejuckt hat`s schon irgendwie. Nichts gegen Fahnen, nichts gegen Wimpel und auch nichts gegen halbwegs unaufdringlich präsentierten Nationalstolz. Aber eigentlich gibt es doch nur einen Ort, an dem diese schwarz-rot-gelben Fähnchen wehen dürfen: Links und rechts auf der Kühlerhaube von Horst Köhler.
Das wirklich Dumme an diesen Dingern ist ja, dass sie fest mit dem Klemmdings fürs Fenster verwachsen sind. Ich hatte gehofft, dass man sie aus der Halterung lösen kann - dann hätte ich gerne nachts die Fahnen im Viertel vertauscht. Ein bisschen "multikulti" würde allen Flatterfahrern gut tun!
Sabine am 11.06.06 17:37
Ich kann es kaum glauben: Der Zug mit der deutschen Nationalmannschaft fährt ein, die Masse jubelt und auf einem Transparent steht klar und deutlich „Wir grüßen die Weltmeister!“. Keine Sorge, weder halluziniere ich, noch habe ich zu tief ins Glas geschaut. Stattdessen ist die Generalprobe für das „Privat viewing“ im Garten unseres Mehrfamilienhauses erfolgreich über die Bühne gegangen. Beim Eröffnungsspiel wollen hier Hausbewohner und Freunde gemeinsam gucken, ob Ballack einem wirklich fehlt. Und weil beim Test unter Realbedingungen, also zur Anstosszeit gegen 18 Uhr, am Donnerstagabend auf keinem Fernsehsender Fußball zu sehen ist, haben wir zum Testen der Lichtverhältnisse „Das Wunder von Bern“ auf die Leinwand projiziert. Der einzige, zugegebenermaßen etwas unkritische Zuschauer des Testlaufs mit Bildern von 1954 ist begeistert. Ob ich am Freitagabend ähnlich hingerissen sein werde, hängt allerdings nicht nur von den Lichtverhältnissen ab...
Antrittsbesuch im FIFA-WM-Stadion Köln, Donnerstagnachmittag. Hier irgendwo soll ich mir meine Akkreditierung abholen. Mein erster Eindruck: Noch sind rund ums Stadion alle herrlich entspannt. Kein Wunder: Einen Tag vor Beginn der WM stehen pro doofe Frage ungefähr 1,4 Volunteers Rede und Antwort. Der Sicherheitsmann muss sogar ein bisschen grinsen, als ich frage, ob ich das Gelände auch mit dem Erfrischungsgetränk eines Nichtsponsors betreten dürfe. („Wenn das der Sepp B. wüsste“) Und meine Laune fällt nur kurzzeitig, als ich die elendig lange Schlange vor dem Service-Center entdecke. "Äkkräditäschn? Here along!" probiert ein Ordner seine Fremdsprachenkenntnisse an mir aus und lotst mich an den auf Rückläufer-Tickets wartenden WM-Fans vorbei.
"Sie brauchen nichts verstehen, folgen Sie einfach den Zahlen“, erklärt mir am Eingang des Akkreditierungscenters dann ein junger Mann das Verfahren, an dessen Ende Japaner, Russen, Angolaner und auch ich einen fast brustbedeckenden und mit Lichtbild versehenen Ausweis in Händen halten sollen.
Während ich darauf warte, dass mein Name in auf einem überdimensionalen Flachbildschirm auftaucht, damit danach ein Foto von mir geschossen wird, erzählt mir der junge Mann, warum er, wie tausende andere Helfer auch, freiwillig und unentgeltlich bei dieser WM arbeitet:"„Weil das Ehrenamt ausstirbt". Meinen Einwurf, dass die FIFA es aber doch eigentlich gar nicht nötig habe, Leute umsonst für sich arbeiten zu lassen, kontert er gelassen: "Na und? Ich wollte bei diesem Spektakel aber möglichst mittendrin dabei sein, da ist das hier doch die perfekte Möglichkeit.“ Ich höre auf, kritische Fragen zu stellen und werde schon drei Minuten später mit meiner WM-Akkreditierung belohnt.
Sind das die Lottozahlen auf dem A-Ausweis? Oder die Handy-Nummer von Blatter?
Frigo am 12.06.06 17:20
Hallo Frigo,
nee, die FIFA hat das gesamte Stadionareal in Zonen eingeteilt und - "Folgen sie den Zahlen" - mit Nummern versehen. In diesem Fall heißt das zum Beispiel: Domke darf ins Medienzentrum (7), aber nicht in die Umkleideräume (2).
Stefan am 13.06.06 11:26
Geboren und aufgewachsen im Ostwestfälischen - dort, wo fußballerische Leidenschaft eher weh tut als glücklich macht. Aber wie heißt es bei Nick Hornby? "Man entscheidet sich nur einmal in seinem Leben für einen Verein. Das war es dann." Und weil mich mein Schwager Anfang der 1980er Jahre im Alter von zehn Jahren auf die Bielefelder Alm schleppte, werde ich der Arminia auch dann noch die Daumen drücken, wenn der Gegner nächstes Jahr wieder Wacker Burghausen heißen sollte. Mein erstes Weltmeisterschaftserlebnis? "Olé Espana", "gesungen" von Jupp Derwall und der deutschen Nationalmannschaft von 1982. Noch fieser war nur noch das Foul von Toni Schumacher im Halbfinale an Battiston. Worüber ich bei "meiner" ersten WM im eigenen Land gerne schreiben möchte? Zum Beispiel über eine für Deutschland untypische Begeisterung, die auch noch außerhalb der ohne Ticket unzugänglichen Fan-Zonen rund um die Stadien spürbar ist. Über Schwarzmarkthändler, die nach Spielbeginn ihre Tickets verschenken. Oder über meine 93-Jährige Tante, die mir die Abseitsregel erklärt. Und über iranische und amerikanische Fans, die gemeinsam in meine Kamera strahlen.
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