Als ich vor zwei Jahren die griechische Nationalmannschaft bei ihrem EM-Triumphzug durch die Athener Innenstadt sah, dachte ich: So etwas würde ich gerne einmal mit und in Deutschland erleben. Jürgen Klinsmann und Joachim Löw haben mir und Millionen Landsleuten diesen Traum erfüllt. Für mich steht fest: Aus deutscher Sicht war es die schönste WM aller Zeiten, auch ohne Titel. Nie zuvor sind Fans und Mannschaft in dieser Art und Weise zu einer Schicksalsgemeinschaft verschmolzen.
Zudem hat das deutsche Team den attraktivsten Fußball dargeboten. Klinsmann und Löw haben einen Stil zelebrieren lassen, der an die niederländische Elf vergangener Tage, an die alte Schule von Ajax Amsterdam erinnert: Gewinnen allein reicht nicht, es muss auch schön und offensiv gespielt werden. Dass ausgerechnet zwei Mannschaften den Weg ins Finale fanden, die den deutschen Ergebnisfußball vergangener Tage verinnerlicht haben, ist eine besondere Ironie dieses deutschen WM-Märchens.
Ich persönlich werde lieber mit Offensivfußball WM-Dritter als mit Ergebnisfußball Weltmeister. Ich kann mich jedenfalls an keine deutsche Nationalmannschaft erinnern – vielleicht mit Ausnahme der 1972er Europameisterschaftself – die einen solchen Unterhaltungswert geboten hat wie das Klinsmann-Team. Selbst Menschen, die vor der WM mit Fußball überhaupt nichts anfangen konnten, fieberten mit einem Male vor den Großbildleinwänden mit. Jürgen Klinsmann und sein Team – sie sind zu wahren Botschaftern der Faszination Fußball geworden. Davor ziehe ich meinen Hut und sage: Danke! Und hoffe, dass der Bundestrainer sein Projekt fortführt. Denn so sehr er es bestreitet: Es ist ganz, ganz eng mit seiner Person verknüpft.
Wahnsinn und kein Ende: Das Stuttgarter Quartier der deutschen Nationalmannschaft befindet sich weiterhin im Belagerungszustand. Zwar sind es nicht mehr Tausende, aber doch mindestens 1.000 Anhänger, die die deutschen WM-Helden hochleben lassen. Und das ist nur die Ouvertüre zur wohl größten Fan-Party aller Zeiten am Sonntag in Berlin. Dort werden bis zu einer Million Menschen erwartet. Wahnsinn ohne Ende eben.
Ein bisschen Wahnsinn kann uns Deutschen nur gut tun.
Christian am 08.07.06 20:39
Die Begeisterung für unsere Nationalspieler nimmt geradezu massenhysterische Formen an. Wie die Klinsmänner in Stuttgart gefeiert werden, was sich auf den Straßen abspielt, erinnert schon fast an die Beatles. Es sind nur mehr Leute unterwegs. Ich kann allen nur raten, am Sonntag zur Berliner Fan-Meile zu kommen. Die Abschiedsparty der Nationalhelden wird unter dem Motto stehen: Ganz großes Kino, ganz große Gefühle.
Gestern habe ich mich leer gefühlt. Heute hat sich zur Leere die Bestürzung gesellt. Das jähe Entsetzen, das mich und alle in der 119. Minute des Halbfinales packte, als Fabio Grosso die deutschen Finalträume bestattete, es ist so präsent wie eben in jener vorletzten Spielminute. Gerade habe ich im Berliner „Tagesspiegel“ ein Interview mit dem Fanforscher Gunter Pilz gelesen. Thema: Wie man mit (unglücklichen) Niederlagen fertig wird. Pilz nennt als ein Beispiel den Zen-Buddhismus. Der lehre, „dass sich der Verlierer beim Gewinner bedanken soll, weil der ihm gezeigt hat, wo er noch an sich arbeiten muss.“ Der Hinweis klingt rational betrachtet sehr einleuchtend, meinen Kummer verscheucht er dennoch nicht. Die Bänke in der Schule des Lebens, sie sind verdammt hart in diesen Tagen.
P.S.: Gestern Abend schlenderte ich am Potsdamer Platz an einem Devotionalien-Laden vorbei. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass die deutschen Fan-Artikel jetzt zu Ramschpreisen verschleudert würden. Werden sie aber nicht. Sie stehen nach wie vor buchstäblich hoch im Kurs. Dieser Gedanke zaubert dann doch wieder ein Lächeln auf mein Gesicht. Und jetzt gehe ich mal ein italienisches Eis essen. Ich denke, die beste Art, mit dem Kummer fertig zu werden, ist, in ihn hineinzugehen.
Spontan haben Hamburger Klinsmann-Fans eine Straße umgetauft. Verdient hätte er es, der Bundestrainer. Mehr habe ich heute auch nicht zu sagen. Wegen der, um es mit Oliver Bierhoff zu formulieren, "unendlichen Leere" in mir. Aber das dürfte euch und 80 Millionen anderen Deutschland-Fans ganz ähnlich ergehen.
Ist so etwas ab heute (10.7.) wieder strafbar?
Oder ist Deutschland jetzt wirklich anders?
Was ist denn wenn jeder seinen Lieblings-Namen über Strassenschilder hängen würde?
Übrigens gibt es auch einen neuen kleinen Klinsmann-muss-bleiben Song zum download bei
http://www.myspace.com/rosibugsubversif
Eine Jürgen-Klinsmann-muss-bleiben-Strasse wäre übrigens auch keine schlechte Idee. Fast sogar eine noch bessere...
ARDBlogfan am 10.07.06 13:15
Es könnte gut sein, dass nach den Vorfällen um Torsten Frings gleich Gift im Spiel ist - schließlich sollen italienische Medien den Deutschen bei der FIFA angeschwärzt haben. In der Stadt und rund um die Dortmunder WM-Arena ist davon nichts zu spüren. Überall ist die große deutsch-italienische Verbrüderungs-Party voll im Gange. Ein Riesenspaß für alle ist's. Natürlich nehmen sich die Fans beider Lager gegenseitig ein bisschen hoch. Aber das gehört dazu. Ich habe mich heute übrigens ausschließlich italienisch ernährt, Pizza, Eis, das volle Programm. Italien wurde sozusagen von mir verputzt. Was der Aberglaube aus Menschen machen kann. Aber wenn's doch hilft...
Verbrüderung allerorten, das war auch unsere bisherige Beobachtung. Hoffentlich bleibt es friedlich. Dann steht einem Fussball-Fest nichts mehr im Wege, unabhängig vom Ergebnis.
Norbert am 04.07.06 20:14
Verbrüderung allerorten, das war auch unsere bisherige Beobachtung. Hoffentlich bleibt es friedlich. Dann steht einem Fussball-Fest nichts mehr im Wege, unabhängig vom Ergebnis.
Norbert am 04.07.06 20:15
Dortmund erwartet heute zum Halbfinale gegen Italien eine nie dagewesene Fan-Invasion. Mit dem Ansturm von 150.000 bis 200.000 Anhängern beider Lager wird gerechnet. Da wird schon rein rechnerisch nicht jeder ins Stadion kommen. Auf dem Schwarzmarkt - laut FIFA-Präsident Blatter der "offene Markt" - werden Tickets für 500 bis 1.500 Euro angeboten. Die Dortmunder Stadionluft gibt es allerdings billiger. Ein findiger Unternehmer hat sie nämlich in Dosen abgefüllt. Vielleicht ist das für alle zu kurz Gekommenen eine Möglichkeit, sich atmosphärisch zu berauschen. Für die echte Ekstase wird dann (hoffentlich) die deutsche Elf sorgen.
was anderes als Ekstase kommt mir heute auch nicht in die Tüte...äh...Dose :)
So, und deshalb jetzt bitte mal alle in den ultimativen WM-Song einstimmen: "...mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein werden wir WELTMEISTER sein..." Let´s go for it!!!!!!!!!!
Jivan Abadha am 04.07.06 12:05
Das Rheinland hat den Karneval, das Ruhrgebiet die Nationalmannschaft. Hunderte Fans empfingen am Dortmunder Trainingsgelände ihre Lieblinge vor der Abschlussübungseinheit mit Blick aufs Halbfinale. Einen noch größeren Massenauflauf gibt's derzeit vor dem DFB-Mannschaftsquartier "Goldschmieding" in Castrop-Rauxel. Die ganze Stadt scheint auf den Beinen zu sein, um einen Blick auf jene Männer zu erhaschen, die morgen das fußballerische Schicksal der Nation in die Hände, pardon, Füße nehmen werden. Die ganze Sehnsucht der Fans brachte ein Transparent exakt auf den Punkt. Die Botschaft: 80 Millionen Herzen und ein Traum.
Ich kann mich noch gut an die "WM-Vorbereitung" von Ronaldo & Co. erinnern. Nahezu täglich sah man die brasilianischen Protagonisten auf Fotos beim Autogramme schreiben, in der Disko, von Mädchen und Caipirinhas umzingelt, im Zustand erhöhter Lebensfreude. Man sah sie eben überall, nur nicht beim Training. Dass die Samba-Selecao sich gegen Frankreich, als es drauf ankam, nicht steigern konnte, wundert mich überhaupt nicht. Und ich muss gestehen, ich kann eine gewisse Schadenfreude über das Aus der Fußballkünstler nicht verhehlen. Gerechtigkeit nennt man das.
Dem kann ich nur zustimmen. Den Knaller fand ich ja, als die in den letzten Spielminuten wie festgenagelt auf ihren Positionen standen, während die Franzosen das Spiel gemacht haben...Hochmut kommt eben vor dem Fall - auch in Südamerika :-)
Jivan Abadha am 03.07.06 15:19
Jürgen Klinsmann traut dem Braten ja selbst nicht: Ihm fehle, so sagte er in dieser Woche in einem Interview, ein öffentliches Bekenntnis von Leuten wie Franz Beckenbauer zu seinem Konzept, zu seinen Trainingsmethoden, zu seinen Reformen – und zwar ohne Wenn und Aber. Das momentane Schweigen eines Karl-Heinz Rummenigge oder Uli Hoeneß - die ja sonst keine Gelegenheit auslassen, den Mund aufzumachen - ist ihm wohl zu Recht verdächtig. Dass er sich auch deshalb bislang nicht zu seiner Zukunft geäußert hat, darf angenommen werden.
Auch einige Fans suchen offenbar nur das Haar in der Suppe. Beim Viertelfinal-Krimi im Berliner Olympiastadion musste ich es zeitweilig selbst mit anhören. Da waren sie wieder, die Meckerer, die Michael Ballack nassforsch zum Deppen erklärten und erst verschämt verstummten, als auch sie nicht mehr übersehen konnten, dass der Kapitän unter Wadenkrämpfen litt. Da waren sie wieder, die Nörgler, als es nach einer Viertelstunde(!) immer noch 0:0 stand. Da waren sie wieder, die Schwarzseher, als die deutsche Mannschaft keine Anstalten machte, blindlings in ihr Verderben zu stürmen. Wenn sie sich aber im Hurra-Stil drei Konter eingefangen hätte, hätten dieselben Experten erst recht gezetert.
Was der Unterschied ist zwischen ihnen und dem lieben Gott? Der liebe Gott weiß alles – und sie wissen alles besser.
Wir haben ein großes Problem in Deutschland: ZU VIELE KÖCHE VERDERBEN DEN BREI !!!!!
Jürgen Klinsmann ist der Verantwortliche im sportlichen Bereich- und sonst niemand!! Er alleine bestimmt die Richtlinine des Trainings,Mannschaftsaufstellungen, Trainingsmethoden u.s.w. Und wenn man bedenkt, dass er das tun musste, was jahrelang versäumt wurde-nämlich junge Spieler ins deutsche Team einzugliedern-
so kann ich als Fan nur folgendes sagen:
Jürgen, Sie haben alles richtig gemacht! WEITER SO !!!
Birgit Werthmann am 02.07.06 09:50
Ballack war schlecht, schon vor den Wadenkrämpfen. Defensiv bemüht vielleicht, aber mit katastrophalen Fehlpässen im Spielaufbau.
sprite am 02.07.06 23:04
Das mit den Fehlpässen von Ballack ist mir auch aufgefallen. Auch hatte ich den Eindruck, dass er sich nicht mit aller Kraft am Spiel beteiligte, oft einfach stehen blieb anstatt nachzusetzen. Andererseits hatte er wiederum die meisten Ballkontakte (zumindest in der ersten Hälfte) - und wer viel macht, macht auch mehr Fehler als einer der wenig macht, das war schon immer so.
Matthy aus Irland am 03.07.06 09:38
Was mich mit Campino verbindet? Der Frontmann der "Toten Hosen" ist wie ich Düsseldorfer, wir hatten häufig beruflich miteinander zu tun und die Konzerte der Punkrock-Band finde ich klasse. Was uns trennt? Der Fußball! Dass sein Fanherz für England schlägt, kann ich ihm nicht verübeln, das ist genetisch bedingt. Er hat eine englische Mutter. Dass er sich aber heute auf die Seite der Argentinier schlägt, ist in meinen Augen schon ein starkes Stück. Natürlich lässt sich auch das erklären: Bei ihren Auftritten in Buenos Aires werden "Los Chosen" – mit kehligem ch sprechen die Gauchos Hosen aus – stets inbrünstig gefeiert. Allerdings reicht mir das nicht als Begründung. Ich mutiere ja auch nicht gleich zum Holland-Fan, wenn ein paar Niederländer einen Artikel von mir gut finden.
Immerhin zollt Campino der Klinsmann-Elf, wenngleich "nicht gerne", Respekt für Spielfreude und Unterhaltsamkeit. Dennoch hofft er, dass seine Argentinier "den Deutschen am Freitag eine wirklich schwere Zeit bereiten werden". Ich hingegen hoffe, dass nach dem Abpfiff für Campino die Zeit so schwer sein möge, dass kein Alkohol auch keine Lösung für ihn ist. Und wenn zudem England an Portugal scheitert? Mensch, Campi, dann serviere ich dir gerne einen eisgekühlten Bommerlunder - den dann allerdings mit einer gehörigen Portion Schadenfreude.
Ich sitze in meinem Hotelzimmer, male mir in den schönsten Farben aus, wie die Klinsmänner gleich Argentinien nach Hause schicken. Nach einer begeisternden Partie steht es in meiner Vorstellung kurz vor Schluss 2:2. Ballack passt den Ball noch einmal vors argentinische Tor. Aus dem Hintergrund müsste Podolski schießen. Podolski schießt. Tor, Toor, Tooor!!!! Und wenn nicht? Wenn Deutschland, was ich für undenkbar halte, dennoch ausscheidet? Dann hätte ich vielleicht ein kleines bisschen Trost bei der Tour de France gefunden und mit Jan Ullrich mitgefiebert - auch wenn das nicht wirklich ein adäquater Ersatz gewesen wäre. Nun hat mich die Eilmeldung von Ullrichs Suspendierung aus allen Träumen gerissen. Ulle und Doping, ich hätte es nicht für möglich gehalten. Gut, bewiesen ist nichts. Aber die Suspendierung ist natürlich schon eine drastische Maßnahme. Sei's drum. Ich bin nur froh, dass unsere Fußballnationalmannschaft ganz offensichtlich nur ein "Doping" braucht. Dieses Mittel trägt die Markennamen Klinsmann und Löw.
es bleibt zur stunde nur die eine frage : warum hat jan ullrich nicht bereits gestern der dna-probe zugestimmt - die ausrede er wolle sich auf die tour konzentrieren war so fadenscheinig wie unsinnig - es war doch klar das dieser skandal nicht abzuschütteln ist wie eine lästige fliege - ruhe und konzentration hätte nur ein freispruch erster kategorie bewirken können - diesen hat jan ullrich aber abgelehnt. nun sehen wir das traurige ende eines gefallenen helden der vielleicht die falschen freunde und berater hatte oder sich einfach nicht noch einmal so schinden wollte - sei es drum - es ist schade - aber gegen dummheit und faulheit gibts auch in den blutküchen der dopingindustrie noch kein allheilmittel - die tour selbst ist damit völlig bedeutungslos geworden - wer auch immer gewinnt, er gewinnt nur weil die besten wohl alle nicht an den start gehen dürfen - ein ende des radsportbooms und das ende von jan ullrich und dem t-mobile team hat begonnen
sascha wagner am 30.06.06 12:37
schaut man sich die unschuldsbeteuerungen von jan ullrich an, erinnert das doch alles sehr an den fall "daum". auch dieser wolte einer "haarprobe" nicht zustimmen. die ähnlickeit der argumente von ullrich zu daum sind doch sehr frappierend. wie aufwendig wäre denn für ullrich eine dna-analyse gewesen? sicherlich hätte ihn diese analyse nicht so sehr in anspruch genommen wie die andauernden diskussionen. wer auch immer gedopt hat, sollte sein berufsrecht verlieren und für den entstandenen schaden gerade stehen müssen. die abschreckung ist gegen doping das einzig wirksame mittel. die "sportsmänner" die gedopt haben sind schlichtweg BETRÜGER!!!
Michael Lettl am 30.06.06 13:59
"Ulle und Doping, ich hätte es nicht für möglich gehalten."
Dieses Zitat von Frank Menke ist ja wohl der Hammer. Das kann doch niemand im Ernst sagen, der in den letzten zehn Jahren nur ein kein wenig den Radsport verfolgt hat. Ist ja schon allerhand. Ist bestimmt ironisch gemeint (hoffentlich)!
Die Tour wird nicht bedeutungslos, im Gegenteil. Dadurch das gegen 20 Schummler nicht an den Start gehen, erhöht sich der prozentuale Anteil der sauberen Fahrer im Peleton. Dass jetzt im restlichen Feld alle sauber sind, kann aber auch nicht angenommen werden.
Schöne Tour allen!
silwig am 30.06.06 14:14
Also, was ich an der ganzen Doping-Affäre irgendwie komisch finde ist folgendes:
1) Als jemand der dopen will, renn' ich doch nicht zu dem Blutpanscher, der auch meine Konkurrenten versorgt. Sollten diesen Fehler wirklich alle "Stars" gemacht haben?!
2) Warum kocht diese Affäre ausgerechnet jetzt hoch, einen Tag vor dem Tour-Start??? Wer profitiert davon?
3) Warum lässt man nicht zumindest jene Fahrer starten, die sich bereit erklären, noch heute eine DNA-Probe abzugeben. Auf das Ergebnis kann man dann immer noch warten und die Täter ggf. auch noch am Sonntag oder Montag ausschließen (die Täter werden sich dazu ohnehin nicht bereit erklären).
Sollte wirklich gedopt worden sein, dann hat der Radsport aber ein wirklich dickes Problem, immerhin sind doch nahezu alle der sog. "Stars" betroffen... und wenn es auch zynisch klingt. Nachdem alle gedopt, zudem beim gleichen Arzt sich versorgt haben, herrscht ja irgendwo wieder Chancengleichheit... dennoch bleibt es natürlich eine riesen Sauerei...
Christian am 30.06.06 14:41
Ich stimme dieser Ansicht voll zu.
Wo sind Beweise ? Es gilt der Rechtsgrundsatz im Zweifel für den Angeklagten,der hier nicht berücksichtigt wird.
Trotz der Beteuerungen von Ullrich wird ihm nicht geglaubt ,sondern den spanischen Ermittlern und damit ist dass Vertrauensverhältnis m.E, unkittbar gestört.
Ist ein Spanier nunmehr Tourfavorit ??
ekkehard 70 am 30.06.06 14:56
Ich frage mich, warum wird so viel "gedopt"? Des Geldes wegen? Des Ruhmes wegen? Des öffentlichen Interesses wegen?
Wenn es das Geld ist, dann die Frage: Wo kommt das Geld? Von den Sponsoren! Und die zahlen, weil sie dadurch in der Öffentlichkeit präsent sind; sie haben ihre Werbung bei stundenlangen Fersehübertragungen. Vielleicht sollten sich die Medien, auch das Fersehen, überlegen, ob sie diesen "Sportlern" weiterhin so viel Aufmerksamkeit schenken. Für mich ist diese Unterhaltungssendung über die Tour gestorben.
Siegmar am 30.06.06 15:16
Die Tour ist am Ende, bevor sie angefangen hat. Schade drum.
"...erhöht sich der prozentuale Anteil der sauberen Fahrer im Peleton"
Es gibt meines Erachtens keine. Die, die jetzt wieder mal gefunden worden sind, waren einfach ungeschickter als die anderen. Radsport auf diesem Niveau ist ohne Doping nicht vorstellbar, nicht einmal für die Pelotonroller.
RedBull am 30.06.06 15:34
Eine drastische Maßnahme von T-Mobile seine Stars zu suspendieren und sich nicht mit dem Decken der Stars zu beschäftigen. Und seine Wirkung wird dieser Vorfall haben wenn allle anderen Teams mitziehen. Das wäre der positivste Effekt. Anders als bei den Einzelfällen der Vergangenheit. Viele Sterne werden untergehen und Lance ist wiedermal der große Sieger. Er ist zum richtigen Zeitpunkt abgetreten (sauber oder Nicht bleibt auch hier die Frage). Es wird Jahre dauern bis die Tour wieder das ist was sie war, dann mit echten Sportsmännern. Ich bleibe trotzdem ein Fan von Jan. Denn wenn man sich keinen Vorteil verschaffen will sondern konkurenzfähig sein will, war er unter den Unsportlichen doch einer der stärksten. Natürlich ist es aber gut, dass die Gesundheit der Sportler jetzt geschützter ist, auch wenn ein Aufstieg nach Alp`duez in der neuen Radsportzeitrechnung 10 Minuten länger dauert.
Frank am 30.06.06 15:53
Vorsicht mit dem DNA-Test. Der mag schnell durchzuführen sein. Doch wer regelt das Labor, das Verfahren etc. Schließlich muß man Manipulationen ausschließen können. Wenn Ulles Anwälte ihm nicht geraten hätten, dies alles zu klären, hätten sie möglicherweise ein Problem. Dass man sich damit kurz vor dem Tour-Start nicht befassen will, ist nachvollziehbar und besagt für sich genommen nichts.
Joachim Graef am 30.06.06 16:31
Das Ganze ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Wer nicht dopt gewinnt im Radsport nicht und da geht es nun mal um viel Geld.
Eine DNA Probe kann ja bereits mit ein paar Haaren oder einem Tropfen Blut gemacht werden, das waere fuer Ullrich kein Aufwand gewesen, aber er wusste eben, dass es sich beim gefunden Blut um sein eigenes handelt.
Lustig ist dabei nur, dass "Hijo Rudicio" als Code verwendet wurde. Kann man so was eigentlich als Code bezeichnen? Wenn man dopt muss man sich eben geschickter anstellen (so wie es die Anderen doch auch schaffen).
Wenni am 30.06.06 16:48
"Idiotensport!" "Die WM würde ich mir nicht mal angucken, wenn man mir Geld dafür gäbe!" "Da geh' ich lieber arbeiten, als dass ich mir ein Fußballspiel antue!" "Ich kann nicht im geringsten nachvollziehen, was du daran gut finden kannst!" Dies ist nur eine klitzekleine Auswahl von Sprüchen meiner Schwester Petra zum Thema Fußball im allgemeinen und Weltmeisterschaft im besonderen. Warum ich euch das erzähle? Weil die junge Dame oben links, die mit dem Deutschland-Fähnchen, eben meine Schwester ist. Ich glaubte zunächst an eine schwere Bewusstseinstrübung meinerseits, dann an eine Fotomontage, als ich heute ihre Mail erhielt. Sie befände sich mit ihrer Freundin Claudia "im Höhentraining auf Spiekeroog" - adäquat zum Höhenflug der deutschen Mannschaft in den WM-Stadien. Schwarz-rot-gold ärgere sie sich, dass sie sich nicht um WM-Tickets bemüht habe. So wie Klinsmann Fußball spielen lasse, mache einfach nur Spaß. Der Bundestrainer als Bekehrer. Ich muss gestehen: Ich bin erst einmal sprachlos. Aber sie gefällt mir, die Missionierung meiner Schwester. Viel Vergnügen weiterhin.
Soeben, kurz vor 17 Uhr. Ganz selbstverständlich gehe ich in meinem Arbeitsraum im DFB-Medienzentrum zum Fernseher und schalte ihn ein. Wie, kein Fußball?! Ach ja, heute und morgen ist ja spielfrei. Hatte ich erfolgreich verdrängt. Nun bleibt der Bildschirm schwarz. Was mache ich heute Abend bloß? Da wird mir in Berlin schon etwas einfallen. Ich muss auch etwas tun. Denn ich leide unter Entzugserscheinungen. Aber da dürfte ich mich mit Millionen von WM-Fans in bester Gesellschaft befinden. Und es sind ja nur noch 47 Stunden bis zur Erlösung.
Um das Nervenkostüm der Argentinier scheint es vor dem Viertelfinal-Kracher gegen Deutschland alles andere als gut bestellt zu sein. Beim heutigen Training der Nationalmannschaft schlich sich der argentinische Comedian Campi alias Martin Campilongo ein. Im Mario-Kempes-Trikot gab er lautstark den "Matador Humoristico", störte die Übungseinheit mit lauten Zwischenrufen. Zumindest eines war dem Spaßvogel damit gelungen, nämlich Jürgen Klinsmann auf die Nerven zu gehen. Der ließ daraufhin erst den Störenfried und gleich danach die versammelte Journalistenschar vom Trainingsgelände werfen. Womöglich aber nur deshalb, weil der Bundestrainer Campis über den Platz gebrülltes Spanisch nicht verstanden hatte. Der Witzbold hat ihn nämlich geradezu inbrünstig um Hilfe angefleht. In Deutsch: "Klinsi, Klinsi, hilf uns! Lass uns gewinnen. Lass deine Jungs nicht gut gegen uns spielen. Wir müssen am Freitag siegen. Wenn wir das nicht schaffen, bekomme ich auch noch einen Riesenärger mit meiner Frau. Die weiß, dass ich hier bin." Sie arbeiten mit allen Tricks, diese Gauchos. Aber es wird ihnen nichts nützen. Wichtig ist aufm Platz, nicht auf der Tribüne des Trainingsgeländes. Hasta la vista, Baby.
Ich habe ja fest damit gerechnet, dass Oliver Kahn irgendwann bei dieser WM die Fassung verliert und ob seiner Reservistenrolle zu stänkern beginnt. Zumindest ein Knurren ist ja nun auch zu vernehmen. In einem „Spiegel“-Interview betreibt er Frustabbau. Er habe Klinsmann "deutlich gesagt, dass ich nie nachvollziehen und verstehen werde, warum ich nicht die Nummer 1 bin." Das ist menschlich verständlich und von Stänkerei á la Uli Stein – wir erinnern uns an die „Suppenkasper“-Affäre 1986 - meilenweit entfernt. Ich habe Kahn menschlich nie besonders gemocht. Ich habe seine Leistung respektiert, aber dieser zur Schau getragene, in meinen Augen schon krankhafte Ehrgeiz war mir immer suspekt. Jetzt muss ich gestehen: Die Art und Weise, wie er sich seiner Degradierung zum Trotz ins Team einfügt und sich um die jungen Spieler kümmert, nötigt mir Respekt vor dem Menschen Oliver Kahn ab. Jürgen Klinsmann hat dieses Verhalten in der heutigen DFB-Pressekonferenz so formuliert: "Je weiter wir kommen in diesem Turnier, desto größer ist der Anteil von Oliver Kahn daran."
Nicht nur die deutsche Nationalmannschaft, auch das Publikum in der Münchener WM-Arena wächst. Im Vergleich zum WM-Eröffnungsspiel gegen Costa Rica steigerten sich die Fans stimmungsmäßig um hundert Prozent. Schon nach zwei Minuten rollte die Welle über die Ränge. Nimmermüde wurde die deutsche Elf mit Sprechchören unterstützt - besonders, als sie nach dem Platzverweis gegen den Schweden Teddy Lucic in ein kleines Loch fiel. Warum ich das so hervorhebe? Nun, vor dem Eröffnungsspiel hatte mir ein bajuwarischer Steward (Ordner) beschieden: "Klinsmann hat uns die WM versaut. Weil er Kahn abgesägt hat. München ist Kahn-Stadt. Hier ist jetzt null WM-Stimmung." Gut, dass man sich eines Besseren besonnen hat. Ein gegenüber dem Münchener Publikum besonders kritisch eingestellter Bayer(!) adelte seine Landsleute sogar mit der Bemerkung: "Die Stimmung gegen Schweden, die hatte Dortmunder Qualität." Und Dortmund gilt als Tollhaus deutscher Fußballbegeisterung. Einfach weltmeisterlich.
wir werden Weltmeister!
Joachim am 26.06.06 08:12
Ich werde mir das Viertelfinale auf Spieckeroog anschauen. Mal schauen, ob der WM-Hype auch die Nordfriesen erfasst hat. Im Zweifelsfall halten wir die Deutschlandflaggen (sic!) eben alleine hoch :-)
Jivan Abadha am 26.06.06 10:10
Gestern Abend sprach ich mit meinem Freund Dieter Bierbaum. Der war 1974 WM-Organisationschef für meine Heimatstadt Düsseldorf. Natürlich redeten wir übers Achtelfinale gegen Schweden. Und schon bald fiel der Name Erich Juskowiak. Der frühere Linksverteidiger von Fortuna Düsseldorf wurde auf den Tag genau heute vor 48 Jahren(!) zur tragischen Figur - im WM-Halbfinale Deutschland gegen Schweden! Dieter, der Juskowiaks Grab in Lintorf bei Düsseldorf pflegt: "Der Kurt Hamrin hat Erich solange provoziert, bis der sich mit einem Tritt revanchierte und vom Platz flog." Die 1:3-Niederlage wurde vor allem Juskowiak angekreidet, der sein Lebtag nicht mehr richtig froh wurde. "Das war der schwärzeste Tag meines Lebens. Das Foul hat mich ewig verfolgt", sagte er selbst einmal.
1986 starb er nach einem Herzinfarkt am Steuer seines Autos. So hat er immerhin noch die erfolgreiche Revanche bei der WM 1974 miterleben dürfen. Deutschland siegte in der Regenschlacht von Düsseldorf 4:2. Und das ist auch mein Tipp fürs heutige Achtelfinale. Ein Sieg für Erich Juskowiak.
Bevor die deutsche Mannschaft zum Abschluss-Training in der Münchener WM-Arena antreten konnte, waren die Schweden dran gewesen. Und die hatten offenbar alles gegeben - so wie der Rasen aussah. Etliche Löcher "zierten" den Platz. Eine Armada an Helfern schwärmte aus, um den Rasen wieder bespielbar zu machen. Angesichts des Ackers hegte ich die Hoffnung, dass sich die Skandinavier bei ihrer Übungseinheit dermaßen verausgabt haben, dass ihnen im entscheidenden Moment des Achtelfinals die Puste ausgehen möge. Schau'n mer mal.
Das Runde muss halt ins Eckige - auch wenn man mal muss, im DFB-Medienzentrum.
Nicht nur im DFB-Medienzentrum müssen die Herren genau zielen, auch in der WM-Stadt Kaiserslautern: http://sport.ard.de/wm2006/wm/vorort/swr/news06/17/bg_usa_italien_swr.jhtml
Martin Heuser am 23.06.06 15:40
und wo dürfen die Frauen reinpinkeln? Frank, bitte unbedingt recherchieren! Das bist Du Deiner Reporterehre (und Deinem treuesten Fan :-)) schuldig.
Jivan Abadha am 26.06.06 10:13
Es gibt schon wundersame Momente im Leben. Tagtäglich hefte ich mich an die Fersen der deutschen Nationalelf: bei Pressekonferenzen, auf den Trainingsplätzen, bei den Spielen. Heute Abend kam einer fast bis in mein Hotelzimmer. Ich saß mit dem Rücken zum Fenster am Tisch und tippte die letzten News in meinen Laptop. Das Geräusch des gläsernen Außenfassadenaufzugs zu einem Club vis-a-vis meines Zimmers lenkte mich ab. Ich drehte mich um - und sah Gerald Asamoah. Eine Bewusstseinstrübung? Erste Ausfallerscheinungen? Keineswegs. Er war es tatsächlich. Lächelte freundlich, als ich ihn fotografierte. Seinen Tipp fürs Achtelfinale hat er mir auch noch verraten: "Wir gewinnen." Und ich darf Jürgen Klinsmann verraten: Gerald war lange vor dem Zapfenstreich wieder weg.
Egal, ob wir am Samstag Schweden schlagen oder aus dem Turnier fliegen, eines hat Jürgen Klinsmann in meinen Augen jetzt schon erreicht: Er hat das Bild vom zwar erfolgreichen, aber hässlichen deutschen Fußball in der Welt verscheucht. Sicher konnten wir früher den Ball über 25 Stationen in den eigenen Reihen halten, ohne dass der Gegner ihn berührt hat. Peinlich daran war nur, dass sich diese Form der "Spielkontrolle" vor der Mittellinie in der eigenen Hälfte abspielte. Selbst ein Ausscheiden im Achtelfinale wäre für mich großartiger als mancher deutsche Vize-Weltmeister-Titel der Vergangenheit. Und es kommt ja schon einem Ritterschlag gleich, dass holländische Medien konstatieren, Deutschland spiele bei dieser WM wie die Niederlande früher und die Niederlande wie einst Deutschland.
Die Abschlusstrainingseinheit vor den Spielen der deutschen Elf - für meine Kollegen und mich beginnt sie stets als Zitterpartie. 15 Minuten dürfen wir Journalisten dabei zuschauen - wenn wir es denn rechtzeitig in den Stadion-Innenraum schaffen. Denn vor die Berichterstattung hat die FIFA den Steward (neudeutsch für Ordner) gesetzt. Und einige dieser Damen und Herren leben einen geradezu bizarren, blinden Gehorsam aus.
Gestern war's mal wieder soweit. Tatort diesmal: das Berliner Olympiastadion. Drei Kontrollen habe ich dank meiner sichtbar am Hals baumelnden Akkreditierung (mit Foto!) passiert. Unmittelbar vor dem ersten Zugang zum Stadion-Innenraum kommen zwei jungen Ordnerinnen erste Zweifel, ob sich die Kollegen nicht doch geirrt haben könnten, als sie mich passieren ließen. Ratlos starren sie auf meine Akkreditierung. Das Präludium verlangt geradezu nach einer Arie. Ich bekomme sie. Während die Mädchen sich in Verschwörermanier beratschlagen, öffne ich einfach schon mal die Stahltür zum Treppeneingang. Verzweifelte Augen blicken mich an. Sechs Kollegen scheinen Einzug in den Vorhof zur Hölle gehalten zu haben. Ein hünenhafter Steward will - irgendwo von oben - den Befehl erhalten haben, keinen Journalisten ins Stadion zu lassen, ehe der Mannschaftsbus vorgefahren ist. Und natürlich ignoriert er den Hinweis, dass am Spielfeldrand schon rund 100 Kollegen postiert sind.
Revolution liegt in der Luft. Der Befehlsempfänger beruft sich, hektisch telefonierend, auf Befehlsnotstand. Wir berufen uns auf den gesunden Menschenverstand und lassen ihn einfach stehen. Ich sehe uns schon in einer kargen Zelle landen, doch zu meiner Verblüffung werden wir nicht vor ein Schnellgericht gestellt. Auch nicht der Kollege, der nach(!) dem Training höchst unwillig eine erneute Taschenkontrolle über sich ergehen lassen muss. Was könnte der bloß gestohlen haben: den deutschen Einzug ins Achtelfinale?
Geil,
ich dachte immer, das geht uns Journalisten nur bei Konzerten so (Bin Konzertfotograf)
Na, das beruhigt mich ja ein bissel, dass es auch beim Fußball solche "Hundertprozentigen" gibt *g*
Bartzsch am 20.06.06 14:00
Lieber Frank,
ich hatte vor bei meiner Hochzeit einige dieser Stewards einzustellen. Aber da du beruflich in Berlin und nicht in Düsseldorf, bzw. Meerbusch warst, habe ich die netten Herren in die Hauptstadt geschickt :D
Ist es nicht wie bei jeder Großveranstaltung!? Diese Menschen bekommen einen traurig geringen Lohn für eine eigentlich unwürdige Arbeit. Bei der Höhe der Entlohnung ist leider der Preis für Denkarbeit nicht inbegriffen. Aber vielleicht wäre das ja mal ein Ansatzpunkt. Schließlich wäre die schönste WM ein Witz, wenn es keine Journalisten gibt, die darüber berichten können, weil ihnen der Zugang permanent verwehrt wird.
Ich erinnere mich da gerne an die Eröffnung des Metro Future Store in Rheinberg, wo die Bodyguards von Claudia Schiffer, die den Zukunfts-Supermarkt eröffnete, alle Fotografen und Journalisten als Paparazzi missverstanden hatten. Wir Journalisten hielten zusammen und drohten mit einem kollektiven Bericht-Boykott. Da leuteten plötzlich die Alarmglocken bei der Presseabteilung und man zeigte sich plötzlich sehr hilfsbereit gegenüber denjenigen, die zuvor noch als "blöde Wxxxx" beschimpft wurden. Es ist aber immer schade, dass eine schöne Veranstaltung wegen solcher Unfähigkeit immer einen faden Beigeschmack bekommt.
Daniel Meffert geb. Thywissen :D
jetzt heiße ich Daniel Meffert am 21.06.06 11:11
ich unterstelle ja seit eh und je einen direkten Zusammenhang zwischen dem nagenden Gefühl innerer Kleinheit und der Vorliebe für Tätigkeiten, die darauf abzielen, für Recht und Ordnung zu sorgen - egal, wie bestusst die zugrunde Logik auch sein mag.
Danke für diesen köstlichen Beitrag :-)
Jivan Abadha am 21.06.06 12:04
Die Begeisterung über unsere Nationalelf kennt ja zur Zeit keine Grenzen. Der Wahnsinn vorm Berliner Mannschaftsquartier, den ich gestern erlebt habe, war wirklich weltmeisterlich. Soeben rief mich auch noch ein Freund an. Auch der geriet gleich ins Schwärmen. Ich habe ihn mal frech gefragt, ob er genauso laut jubeln würde, wenn Oliver Neuville gegen Polen nicht in letzter Minute getroffen hätte? Und schon druckste er ein wenig herum. Die Frage sei erlaubt: Wie brüchig ist dieser kollektive Optimismus, der zur Zeit im deutschen Lager herrscht? Was passiert, wenn die Klinsmann-Elf gegen Ecuador nicht den Gruppensieg einfährt. Werden wir dann wieder zum Volk der Nörgler und Pessimisten? Ich bin wirklich mal gespannt.
Darf die deutsche Elf für den Fortgang der WM auf Beistand von ganz oben hoffen? Diesen Sinnspruch habe ich ganz in der Nähe des deutschen Mannschaftsquartiers an einer Hausfassade im Berliner Grunewald entdeckt. Und der passt doch zum bisherigen Turnierverlauf der Klinsmann-Elf wie Oliver Neuvilles Last-Minute-Treffer zum Polen-Krimi. Gott als 13. Mann - da kann eigentlich nicht mehr so viel schief gehen. Wenngleich die Wege des Herrn unergründlich sind.
Und da denkt man in dieser an Topnews nicht gerade armen Zeit (Kahn hat sich beim Daumendrücken für Lehmann verletzt u.ä. Wichtiges)das Füllhorn des investigativem Journalismus sei irgendwann einmal geleert ... So kann man sich täuschen. Kommt doch wie aus heiterem Himmel der Herr (Menke) daher und entfaltet auf engstem Raum eine theologische Dialektik der episkopalen Sonderklasse. Gott als 13.(!) Mann!!! Vermutlich trägt sein Fantrikot die Rückennummer 666. Nur so wäre das Wunder von Dortmund gegen die 100% katholischen Polen rational erklärlich. Oder liegt es doch eher hieran: wir sind ja seit kurzem Papst.
Pagane Grüße aus dem Norden
Dirk am 18.06.06 19:21
Normalerweise kommt man mit dem Privatauto nicht vors WM-Mannschaftsquartier der deutschen Nationalelf im Berliner Grunewald - sofern man nicht Anwohner ist oder zum DFB-Tross gehört. Für den motorisierten Farbklecks aus Sachsen machte die Polizei aber gerne eine Ausnahme. Applaus der wartenden Fans brandete auf, als Mandy Hoffmann und Arne Nowak den 45 Jahre alten Wartburg 311 vors Schlosshotel steuerten. Die beiden sind für einen guten Zweck auf Deutschland-Tournee: "Team Sachen unterwegs zu Freunden", heißt das Motto. "Wir sammeln auf unserem Koffer von allen WM-Mannschaften Autogramme. Anschließend wird das Auto samt Koffer zugunsten der Dresdner Kinderbegegnungsstätte im Blaschka-Haus versteigert. Gebote können bei ebay abgegeben werden", erzählten die beiden. Fast wäre die bunte Fahrt ins Wasser gefallen. "Wir wollten ursprünglich mit einem VW-Käfer Baujahr 1974 auf Tour gehen. Doch die FIFA hat ihr Veto eingelegt. Wir wären damit auf keine Fan-Meile, zu keinem offiziellen WM-Termin gekommen. Weil der FIFA-Autosponsor nicht VW heißt", sagte Nowak. Das finde ich dermaßen kleinlich, dass es mir jetzt diebische Freude bereitet, den Namen des offiziellen Sponsors zu verschweigen.
Nicht nur die Nationalspieler haben einen Tag frei. Auch das Berliner DFB-Medienzentrum im Internationalen Congress Centrum ist in einen tiefen Schlummer gefallen. Wo sonst täglich Hunderte von Journalisten für hektische Betriebsamkeit sorgen und DFB-Mediendirektor Harald Stenger ihre Wünsche koordiniert, herrscht jetzt geradezu eine kontemplative Stille. Ein paar Kollegen auf der Mediengalerie verarbeiten gerade noch die letzte Pressekonferenz mit Jürgen Klinsmann, Philipp Lahm und Thomas Hitzlsperger. Danach wird's auch hier aussehen wie eine Stunde nach Abpfiff auf dem Platz. Am morgigen Samstag wird das Medienzentrum an den Catenaccio erinnern: Es macht total dicht, soll heißen, es bleibt den ganzen Tag über geschlossen. Frische Kräfte tanken, heißt die Maxime - für die Verlängerung der deutschen Gute-Laune-WM. Am liebsten bis 9. Juli.
Gestern Abend, nach dem Polenspiel. Die U-Bahnstation an der Dortmunder WM-Arena ist wegen Überfüllung geschlossen. Taxi? Keine Chance, auch die Straßen sind dicht. So nehme ich den gut 30-minütigen Fußmarsch über die Fan-Meile zum Hotel auf mich. Kurz vor meinem Ziel passiert’s: Hooligan-Randale in der Innenstadt. Dortmund im Ausnahmezustand. Schreie, Geschubse, Gläser bersten. Und schon rast eine Wand von einigen hundert Menschen auf mich zu. Ich spüre Panik aufsteigen, Hilflosigkeit, bleibe zu meiner eigenen Verblüffung wie angewurzelt stehen.
„Weg, weg, weg!“ ruft einer aus der Menge, reißt mich aus meiner Lähmung. Ich kann mich gerade noch in den Eingang eines Einkaufszentrums flüchten. Ich glaube zumindest, dass es ein Einkaufszentrum war. Hektisch suche ich einen anderen Ausgang. Finde ihn. Ich spurte mit meinem Laptop auf der Schulter zum Hotel. Mit weichen Knien und ziemlich verstört erreiche ich mein Zimmer. Meine Hände zittern. Ich muss eine Zigarette rauchen. Das ist ungesund, ich weiß. Aber an diesem Abend hätte die WM für mich weit ungesunder sein können.
P.S.: Heute bin ich nicht mehr verstört, sondern richtig wütend. Auf die Hooligans, die diese bislang so heitere WM für stumpfsinnige Randale missbrauchen wollen. Aber im Gegensatz zu denen kann ich mich immerhin mit Worten wehren. Was ich von den Krawallmachern halte, hat der große deutsche Publizist Karl Kraus voll bösen Spotts einmal so formuliert: „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“
Bedrückend -- in den Medienberichten klang das Ganze noch relativ harmlos. Wenn man es aber mal aus erster Hand erfährt, ist es doch was ganz anderes.
Fabian am 15.06.06 14:39
Tja und dann schaffte es die Deutsche Bahn auch wieder mal hervorragend, einen Zug welcher ,um 0.23 von Dortmund nach Iserlohn fahren sollte, mit der lächerlichen Fahrzeit von 2,5 Stunden nach Schwerte/Ruhr zu befördern.
Durchsagen erfolgten natürlich keine, und die ohnehin schon alkoholisierten Fans fingen dann auch noch an die Nothämmer und sonstige nicht gut befestigte Gegenstände abzureissen, was der Stimmung im Zug ebenfalls sehr zuträglich war.
DIE INFORMATIONSPOLITIK DER DEUTSCHEN BAHN AG, WELCHE JA LAUT MEHDORN HERVORRAGEND AUF DIE WM VORBEREITET IST,FAND NICHT STATT.
Woodie am 15.06.06 15:43
Hallo Frank, gut, dass dir nichts passiert ist. Immer schön der Gefahr aus dem Weg gehen, gelle?
Lg, Maike
maike am 15.06.06 15:45
Ich war auch in Dortmund, habe aber von den Ausschreitungen wirklich nichts mitbekommen. Zum Glück bleiben solche Aktionen Ausnahmen. Der Rest dieser Feier war nämlich super.
Markus am 15.06.06 15:58
Lieber Frank,
gut, dass Dir nichts passiert ist! Und dass Du Dir von diesem unerqicklichen Zwischenfall nicht die WM-Laune verderben lässt. Sollten die es nochmal wagen, sich Dir in den Weg zu stellen, sag Bescheid: Ich hab´da ein paar russische Kumpels :-;
LG, Abadha
Jivan Abadha am 16.06.06 08:22
Ich war mit meinem Mann und meiner Tochter gegen 19.00 Uhr am Friedensplatz. Zu diesem Zeitpunkt waren schon alle Eingänge geschlossen, weil angeblich schon zuviele Menschen auf dem Platz waren. Die Absperrungen führten bei vielen Fans schon zu grossen Unmut und Ärger war vorprogrammiert. Viele und wir auch suchten uns einen anderen Eingang, wir krabbelten irgendwo unter dem Zaun her und waren am Ziel unserer Wünsche. Die Stimmung auf dem Platz war sehr gut. Allerdings war kein Platz mehr frei, von dem man aus das Spiel hätte anschauen können.
So beschlossen wir schweren Herzens nach hause zu fahren und doch am Fernseher das Spiel anzusehen.
Wir mussten dann feststellen, dass es nicht möglich war durch einen der Ein-/Ausgänge den Platz wieder zu verlassen. Der Druck der Fans, di noch auf den Platz wollten, war zu gross, da war kein
Durchkommen. Wir fanden eine Stelle, an der es wohl möglich gewesen wäre, da es kein offizieller Ein-/Ausgang war. Der anwesende Sicherheitsmann liess uns jedoch nicht raus. Es kamen zwei Polizisten hinzu, die ausserordentlich unfreundlich auf unseren Wunsch reagierten.
Ein anderer FAN, der offensichtlich unter Platzangst litt, wurde auch nicht durchgelassen. Die Polizisten nahmen eine unangenehme Drohhaltung an und zeigten nicht die Spur Verständnis.
Wir haben es dann noch an einer anderen Stelle versucht. Dort schickte uns dann ein freundlicherer Polizist wieder zu der Stelle, an der man uns vorher nicht rausgelassen hatte.
Nach einigem Hin und Her hat uns dann der Sicherheitsbeauftragte mit Hängen und Würgen rausgelassen.
Ich wüsste zu gern, wer für diese idiotische Idee, den Platz einzuzäumen, verantwortlich ist. Da ist Panik und Stress vorprogrammiert. Vor allen Dingen, wenn ein "Fluchtweg" nicht vorgesehen ist. Sehr schwach und keineswegs weltmeisterlich organisiert.
Wenn man auf den Platz will, muss man Kontrollen nach Flaschen usw. über sich ergehen lassen und rundherum liegen sie zu Hunderten auf dem Boden und können ganz leicht auf den Platz geworfen werden.
Ich hätte mir solche Polizisten gewünscht, wie sie bei unseren Heimspielen mit dem BVB anwesend sind. Ruhig, freundlich, nachsichtig und doch bestimmt. Solche habe ich nicht getroffen.
Renate Kreutzmann am 16.06.06 20:14
Deutsche und polnische Fans im Zustand erhöhter Lebensfreude: Chorale Gesänge werden von norddeutschen (Husum) und polnischen Fans (Warschau) in der Dortmunder City gemeinsam angestimmt. Den selbstgebastelten WM-Pokal rückt das deutsche Lager aber dann doch nicht heraus - trotz flehentlicher Bitten der Polen. Egalski und tief Luft geholt, der nächste Schlachtgesang ist fällig. Überhaupt sind mir die polnischen Anhänger bislang nur als Sängerknaben und nicht als Rabauken aufgefallen. Das ist umso bemerkenswerter, da den Polen die Worte fehlen dürften eingedenk der Meldungen über die Verfassung ihres Teams. Die nämlich geben überhaupt keinen Anlass für Lobpreisungen. Humor ist, wenn man sinkt und trotzdem singt.
Dortmund ist Fußball-Mekka und mithin buchstäblich balla balla. Das wird all jenen Fußballfans sofort ins Auge stechen, die heute mit dem Zug zum Polen-Spiel anreisen. Begrüßt werden sie vis-a-vis des Hauptbahnhofs mit einem Fassaden-Transparent von gigantomanischen Ausmaßen: geschätzte 100 Meter lang und 25 Meter hoch. Nur für eingefleischte Schalke-Anhänger ist vielleicht etwas zu viel Schwarz-Gelb im Spiel. Aber heute sind wir alle Deutschland. Oder etwa nicht?
Hallo WM-Fans! Hallo Kollegen! Haltet mich für verrückt, haltet mich für übergeschnappt, ich glaube, nein, ich weiß, dass Deutschland die Vorrunde übersteht, ins Achtelfinale einzieht und es dort mit den Engländern zu tun bekommt. Ich habe ein Zeichen empfangen – in meinem Hotel. Der Blick aus meinem Fenster fällt in einen Innenhof. Ich schaue auf exakt 154 Fenster (ich habe nachgezählt). Alle sehen gleich aus – bis auf eines: Das nämlich ziert eine England-Fahne! Das muss ein Omen, ein Zeichen sein. Vielleicht ist es sogar schon ein Wink aufs Viertelfinale. Denn wir wissen ja: 22 Mann jagen einem Ball hinterher und am Ende gewinnt immer Deutschland.
P.S.: Dass bei der Quersumme meiner Zimmernummer 229 die 13 herauskommt, zudem heute der 13. ist, macht mich nicht bange. Die Zahlenmagie deutet für mich auf magische Momente der deutschen Elf gegen Polen hin.
diese logik überzeugt mich vollkommen ,o) kommt meiner eigenen so schön nah...
Doris Hellpoldt am 13.06.06 16:19
Dann sind wir ja mindestens schon zu zweit. Ein weiteres gutes Omen. Mein Tipp denn auch: Zwei Tore Deutschland, eines für Polen.
Frank Menke am 14.06.06 11:24
Ich war schon mit einem Tor zufrieden :-) Als eingefleischte Fußballverächterin durchlaufe ich deshalb auch gerade eine tiefgreifende Identitätskrise...auweia, wo soll das enden? Am Ende finde ich mich noch einträchtig Sportschau guckend mit meiner fußballjecken Familie auf der Coach wieder. Himmel hilf!
Jivan Abadha am 16.06.06 09:03
„Patriotismus ist die Tugend der Bosheit“, lästerte Oscar Wilde. Nun hat Christoph Metzelder Wilde vielleicht gar nicht gelesen. Der Dortmunder Verteidiger redet ja auch vielmehr einem Kuschelpatriotismus das Wort. Ihn würde es glücklich machen, wenn sich die deutschen Fans übermorgen gegen Polen genauso lieb hätten wie die Nationalspieler vor der Eröffnungspartie gegen Costa Rica. Wie die Klinsmänner sollen sich alle Schwarz-Rot-Goldenen beim Abspielen unserer Nationalhymne in den Arm nehmen. Du bist Deutschland, und du bist nicht allein. Die Spieler wollen mit dem Schulterschluss demonstrieren, „dass wir für unser Land alles geben“. Nun tun wir Deutschen uns mit einem lässigen Patriotismus – einem Patriotismus light sozusagen - ja schon traditionell schwer. Aber der schlaue Metzelder hat bestimmt Nietzsche gelesen. Der hatte erkannt: „Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.“
Frag doch einfach die Kids, wer Deutschlands tollster Fußballer ist. Habe ich gemacht. Auf dem Kreuzberger Bolzplatz an der Schleiermacherstraße. Ich wollte früher immer Günter Netzer sein. Der Fußball-Nachwuchs von heute schwört auf Michael Ballack. "Weil der gut aussieht", sagt Marten. "Weil der Teamgeist besitzt und klasse spielt", meint Sören. "Weil er sich gegen Klinsmann durchsetzen kann", findet Hannes. Auch an der Autogrammbörse fährt Ballack locker einen Kantersieg ein. 90 Prozent wollen seine Unterschrift zuerst. Auf den Plätzen: Oliver Kahn VOR Jens Lehmann. Und dann kommt die Frage, vor der ich gezittert habe: "Kannste uns Autogramme besorgen." Ich kann es nicht versprechen. Aber ich will gerne mal beim DFB nachfragen. Im Sinne der Nachwuchsförderung. Für die Weltmeister von 2018.
Zumindest auf der Autobahn funktioniert die Abwehrarbeit der Nationalelf reibungslos. Bus und Begleittross werden von einer vorausfahrenden Streife und nach hinten von einer motorisierten Dreierkette gesichtert. Hinter dem letzten Fahrzeug des Organisationskomitees blockt ein Motorrad den nachfolgenden Verkehr ab. Die Überholspur wird von zwei Einsatzfahrzeugen dicht gemacht. Schade, dass dieses System nicht aufs Spielfeld übertragbar ist.
Eigentlich war's ein Traumstart in unsere Heim-WM. Auftaktspiel gewonnen, tolle Stimmung auf den Rängen, eine heitere Eröffnungsshow, Kaiserwetter. Wenn doch nur unsere Defensive nicht wie schon so oft die Champagnerlaune trüben würde. Es könnte sein, dass uns unsere Abwehrprobleme während des gesamten Turniers zumindest Kopfzerbrechen, wenn nicht gar Kopfschmerzen bereiten werden. Aber man kann es natürlich auch positiv sehen: Spiele dieser deutschen Mannschaft haben einen hohen Unterhaltungswert - wenngleich zuweilen auf eigene Kosten.
Habe ich mir doch gedacht, dass Dir das gefällt.
Olli am 09.06.06 21:56
Nach dem Spiel meinte einer der Spieler in der Pressekonferenz dazu: "Soll ich mich jetzt etwa dafür entschuldigen, dass wir 4:2 gewonnen haben?"
Recht hat er!
Abadha aus der schönen WM-Stadt Frankfurt :-)
Jivan Abadha am 12.06.06 17:25
Keine Frage, die WM-Eröffnungsfeier hat Appetit auf mehr gemacht. Die Stimmung war genauso fröhlich und heiter wie bei den Olympischen Spielen 1972. Eben die Welt zu Gast bei Freunden. Und auch auf die Gefahr hin, dass mich jetzt viele für ein Weichei halten: Als unsere Weltmeister von 1954, '74 und '90 einzogen und sich Tausende von ihren Sitzen erhoben, liefen mir Schauer über den Rücken und ich bekam feuchte Augen. Fußball setzt eben Emotionen frei. Das ist ja das Schöne daran.
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Wie eine lebende Kartensuchsprechmaschine klingt der verzweifelte Deutschland-Fan vor der Münchner WM-Arena. Ob das mit den Tickets was wird, muss bezweifelt werden. Aber vielleicht springt ja ein Jobangebot als Marktschreier heraus.
Keine drei Stunden mehr bis zum Anpfiff. "Behandelt's das Eröffnungsprogramm liebevoll. Da haben sich eure Landsleute den A... für aufgerissen", gibt mir André Heller vor der Haupttribüne der Münchner WM-Arena mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen auf den Weg. Zwei Wochenenden im strömenden Regen, jeweils sieben Stunden lang, hat der Wiener Kulturschaffende mit den Aktiven auf dem Stadionrasen den Show-Kick-off zur WM geprobt. "Wir waren nass bis auf die Unterhosen", schmunzelt er. Herausgekommen sei dabei "ein Meisterwerk. Ihr müsst es einfach liebhaben." Besonders beeindruckt habe ihn "die unglaubliche Kraft der Bayern". Selbst die Hip-Hop-Tänzer hätten offenen Mundes gestaunt bei den so genannten Goaßlschnalzern (Peitschenschlägern) und Trachtengruppen mit ihren bis zu 40 Kilo schweren Glocken. Heller glaubt, dass gleich nicht nur die Eröffnungszeremonie ein Hit ist. Sein Tipp fürs Spiel: "3:1 für Deutschland."
Die akkreditierten Journalisten haben bereits einen Vorgeschmack davon bekommen, was die Zuschauer heute vor dem WM-Eröffnungsspiel erwartet: penibelste Kontrollen an den Eingängen der Münchner WM-Arena nämlich. Und die werden mit der weltweit berühmten (je nach Standpunkt auch berüchtigten) deutschen Gründlichkeit durchgeführt. Motto: Vom Kamm bis zur Kamera kommt kein Gegenstand unidentifiziert an den Sperren vorbei. Jede Tasche wird auf den Kopf gestellt, jedes Hemd quasi auf links gedreht. Ein englischer Journalist schüttelte angesichts dieses Eifers verwundert den Kopf. Nun kann man von den deutschen Tugenden, zu denen eben auch Gründlichkeit gehört, halten, was man will. Unserem englischen Kollegen sei aber das berühmte, von Gary Lineker geprägte und von eben diesen deutschen Tugenden inspirierte Bonmot ans Herz gelegt: "Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Mann einem Ball hinterlaufen und am Ende gewinnt immer Deutschland." Möglicherweise schon wieder im WM-Achtelfinale - gegen England.
Deutschland einig Vaterland: In Sachen WM doch keine Frage? Von wegen. Die nationale Mission WM-Titel wird sabotiert - von bajuwarischen Separatisten. Beim Abschlusstraining der Nationalelf in der Münchner WM-Arena komme ich mit einem ortsansässigen Steward (früher nannte man sie Ordner) ins Gespräch. Und der redet sich ohne Aufwärmtraining gleich in Rage: "Klinsmann hat uns die WM versaut. Weil er Kahn abgesägt hat. München ist Kahn-Stadt. Hier ist jetzt null WM-Stimmung. Wenn Deutschland im Finale gegen Brasilien, England oder wen auch immer spielt, halte nicht nur ich auf jeden Fall zu den anderen. Wir wollen auch nicht, dass der Klinsmann unseren Kaiser Franz vom Thron stößt und wie der als Spieler und Trainer Weltmeister wird."
War eine prima Idee, das Endspiel nach Berlin zu vergeben.
Das ist wirklich traurig.
Kein Wunder das alle Welt die Deutschen nicht mag.
Die Deutschen halten unter einander ja nicht mal zusammen.
Thomas am 09.06.06 00:03
So werden wir nie Weltmeister...
Thomas am 09.06.06 04:59
Hätte irgendwer etwas anderes erwartrt von den blau-weißen Fanatikern?
Eik schmerler am 09.06.06 08:50
Oh je die Bayern... das die immer was auszusetzten haben müssen.
Die sollen es dem Olli nachmachen.
Der hat ja mal wohl gezeigt das er ein guter Verlierer ist und eigentlich ist er der grosse Gewinner...
Er hält weiter zu der Mannschaft unterstütz diese und hilft wo er kann.
Respekt an Olli...
Mir wird er persönlich bei der WM auch fehlen aber es kommt wie es kommt.
Und das jetzt einzelen Personen so ein Aufstand machen, ist doch wirklich lächerlich.
Alle sollten einfach zu unserer Mannschaft halten, denen die Daumen drücken und eine tolle WM im eignen Land zu lassen.
Wann erleben wir das denn wieder? In 50 Jahren? Also Leute feiert, habt Spass und zeigt allen das wir auch stolz sein können und unserer Mannschaft die Daumen drücken.
Auf ein erfolgreichen Sieg heute.
:)
Anna am 09.06.06 08:50
Typisch!
So ein Schwachsinn kann nur von einem frustrierten ... kommen.
Das beste ist einfach ignorieren.
Ich bin auch Münchner. Aber ich stehe
voll - wie die fast alle Münchner - hinter UNSERER Nationalmanschaft. Und in der Münchner Innenstadt ist eine tolle Stimmung. Auch wenn ich den ein oder anderer lieber gesehen hätte.
Und...
Wir werden Weltmeister!
Dachs2006 am 09.06.06 10:18
Na bravo,
solche Leute braucht das Land! Ich stehe voll hinter Klinsmann, der bessere soll ins Tor und das ist derzeit definitiv Lehmann. Aber was macht der Stewart, wenn´s gegen Holland geht, der Rheumakai darf ja auch nicht mitspielen? Armes Deutschland! Alle Anderen wären froh solche "Probleme" zu haben, nur wir fangen deswegen gleich zu heulen an.
Frank K. am 09.06.06 13:37
Ja und jetzt? Das hat ein Münchner von sich gegeben.
München gehört auch zu Deutschland ;-) :-)
In diesem Sinne, eine schöne WM
Sira am 09.06.06 14:37
Schlosshotel Grunewald, kurz vor 19 Uhr: Die Nationalspieler schwärmen aus zum Abendprogramm. Arne Friedrich gibt den Fans Autogramme. Oliver Kahn winkt immerhin. Torsten Frings lugt verstohlen hinter der Gardine seines Zimmers hervor. Dann heißt es: Bühne frei für Lukas Podolski.
Er setzt sich hinter das Steuer eines Cabrios, David Odonkor nimmt neben ihm Platz. Mit einem Kavaliersstart, sprich aufheulendem Motor, schießt er durchs Hoteltor. Gibt Gummi. 30 Meter weiter bremst er. Die Reifen quietschen vor jener rosafarbenen Villa, in der sich die Bild-Zeitung einquartiert hat. Poldis geballte Faust fliegt aus dem Seitenfenster. Dazu stimmt er seinen ganz persönlichen Schlachtgesang an: "Wir woll'n die Presse sehen, wir woll'n die Presse sehen..." Dann tritt er wieder aufs Gas und weg ist er. Amüsiertes Schmunzeln bei Polizei und Fans. Wenn Podolski gegen Costa Rica genauso auf den Putz haut, erleben wir einen Traumstart in die WM.
köstlich!
sepp am 07.06.06 23:38
"Wir werden Costa Rica weghauen!"
Mach et, Poldi!!!
hajo am 08.06.06 11:32
Vorsicht, David Odonkor, das könnte ansteckend sein ... andererseits: Wenn der Dortmunder dafür lernt, wie der Turbo im Spiel gezündet wird und dann die Tore "mit Getöse" fallen, dann soll uns das recht sein.
Übrigens: Der Tipp auf Lukas Polski als Torschützenkönig der WM war mir zehn Euro wert. Ernsthaft. Andererseits würde ich den doppelten Betrag drauf setzen, dass der Kölner während der WM im Knast sitzt - wegen zu schnellen Fahrens im Benz-Cabrio. Und das meine ich nicht wirklich ironisch.
F. Alonso am 08.06.06 21:05
Das japanische Pärchen am Potsdamer Platz amüsiert sich köstlich über das, was da in einer Berliner Tageszeitung steht. Obwohl die beiden kein Wort verstehen. Fürs Übersetzen ist ihr Begleiter zuständig. Was die drei so erheitert, ist die Schlagzeile "Ronaldo gibt Vollgas: Party bis 5.45 Uhr." Die Samba-Selecao, Gruppengegner der Japaner, bolzt ja offenbar auf ihre ganz eigene Weise Kondition: mit viel Musik, noch mehr Caipirinha und einer Armada an Party-Girls. Erst wenn die Vöglein erwachen, fallen Ronaldo & Co in die Federn. Nun hoffen die Nippon-Fans, dass die Brasilianer ihrer "WM-Vorbereitung" Tribut zollen und Federn lassen müssen. Das erinnert uns doch an den Fall Ungarn(s) 1954. Die Magyaren hielten sich auch schon für die Weltmeister, bevor der erste Ball gespielt war. Der Rest ist Geschichte - und was für eine.
Bei seiner Ballsicherheit wird selbst manch gestandener Profi-Kicker neidisch. Mit vier Bällen gleichzeitig zu jonglieren ist für Fußball-Johnny kein Problem. Er schafft auch an der Torwand unten drei Treffer - per Hacke, mit dem Rücken zur Wand. Dabei ist Fußball-Johnny kein Kicker, sondern, wie er selbst sagt, "nur Artist". Zwischen Scampi im Watenblatt, Mozartkugeln vom Kalb oder zweierlei Süppchen im Schnapsglas servierte der Berliner seine Kabinettstückchen beim DFB-Presse-Kick-off am Dienstagabend in der Berliner Mercedes-Niederlassung.
Die versammelten Journalisten hatten ihren Spaß an seinen Künsten. Vor denen zeigt er sie wohl auch lieber als vor Fußball-Profis: "Die nehmen einem gleich den Ball ab und wollen zeigen, dass sie es besser können. Das ist das Ego." Nun, Johnny lässt sie stets machen. "Ich sage denen dann immer: Wenn ihr fertig seid, sagt mir Bescheid. Meine Gage habe ich so oder so." Scheint auch ein Lebenskünstler zu sein, der Fußball-Johnny.
Fritz-Walter-Wetter über Berlin? Das wäre untertrieben. Als meine Maschine zur Landung in Tegel ansetzt, geht ein Platzregen hernieder. Dazu passt die weltmeisterliche Laune des Taxifahrers. "Na, ganz Berlin schon im WM-Fieber?" frage ich ihn. "Nee, det bringt uns nüscht - außer Stau. Die Leute fahren doch eh alle mit Bus und Bahn." Der Regen trommelt aufs Taxidach. Ich frage mich, warum es uns Deutschen zuweilen so schwer fällt, uns zu freuen. Zu freuen, ohne gleich eine Rechnung aufzumachen. Einfach nur so. Zum Beispiel über eine Fußball-WM im eigenen Land, worum uns vermutlich die ganze Welt beneidet.
Im Vergleich zum Taxifahrer ist ja selbst California Dream Boy Jürgen Klinsmann ein viel bärigerer Berliner. Nicht nur, weil er Leverkusen ausbootete und die Hauptstadt als WM-Mannschaftsquartier gegen den DFB durchsetzte. Nicht nur, weil er hier das WM-Aufgebot verkündete. Sondern auch, weil er dem Taxifahrer und allen anderen Berlinern eine Party von Wiedervereinigungsrausch-Wert bescheren möchte. Den WM-Titel - sofern ihn Ballack & Co holen - will der Bundestrainer nicht auf dem Frankfurter Römer sondern am Brandenburger Tor feiern. Nach dieser Entscheidung wird beim DFB - der bekanntlich seinen Sitz in der Main-Metropole hat - wohl kaum einer vom Stuhl aufgesprungen sein, um die "La Ola" zu zelebrieren.
Aber unser Taxifahrer, der würde die Welle dann vielleicht doch mitmachen. Selig und siegestrunken. Am 10. Juli, dem Tag nach dem WM-Finale Und für ein paar Augenblicke verlören die Sorgen des Alltags ihren Schrecken. Auch und gerade für unseren Taxifahrer. Weil auch er ein Weltmeister wäre.
Einen der schönsten Sätze, die ich über die Faszination des Fußballs gelesen habe, stammt von dem uruguayischen Dichter und Schriftsteller Eduardo Galeano. Aus den Spielkünsten Pelés zog er den wahrlich verblüffenden Schluss: "Wenn er einen Freistoß ausführte, wollten sich die Spieler, die die Mauer bildeten, am liebsten umdrehen, um sich das Tor nicht entgehen zu lassen." Leider war ich auch noch bei Pelés letzter WM-Teilnahme 1970 zu jung, als dass ich mich an seine Zaubertricks bewusst erinnern könnte.
Vier Jahre später war ich endlich reif für meine erste echte WM. Und stand mit meinem Vater gleich buchstäblich im Regen – beim unvergessenen 4:2-Sieg von Beckenbauer & Co über Schweden im längst gesprengten Düsseldorfer Rheinstadion. Mit pausenlosen Anfeuerungsrufen hatten die 70.000 und zwei Fans die deutsche Elf nach zweifachem Rückstand noch zum Sieg geführt. Woraufhin Kaiser Franz Düsseldorf das Endspiel wünschte.
Natürlich wurde nichts aus dem Finale in meiner Heimatstadt. Und bei der WM 2006 ist Düsseldorf ganz außen vor. Aber ich bin dabei. Diesmal nicht (nur) als Fan, sondern als Reporter. Ich bin mir sicher: Werden die Klinsmänner von den deutschen Fans mit der gleichen Leidenschaft befeuert wie die Weltmeister von 1974, wachsen ihnen Flügel. Und wenn es Deutschland wider Erwarten sogar bis ins Endspiel schafft, müssten Podolski & Co nicht einmal zaubern wie Pelé. Solch eine Überraschung böte allemal genug Stoff für ein ganz großes Kapitel im Buch „Faszination Fußball“.
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