Fritz-Walter-Wetter über Berlin? Das wäre untertrieben. Als meine Maschine zur Landung in Tegel ansetzt, geht ein Platzregen hernieder. Dazu passt die weltmeisterliche Laune des Taxifahrers. "Na, ganz Berlin schon im WM-Fieber?" frage ich ihn. "Nee, det bringt uns nüscht - außer Stau. Die Leute fahren doch eh alle mit Bus und Bahn." Der Regen trommelt aufs Taxidach. Ich frage mich, warum es uns Deutschen zuweilen so schwer fällt, uns zu freuen. Zu freuen, ohne gleich eine Rechnung aufzumachen. Einfach nur so. Zum Beispiel über eine Fußball-WM im eigenen Land, worum uns vermutlich die ganze Welt beneidet.
Im Vergleich zum Taxifahrer ist ja selbst California Dream Boy Jürgen Klinsmann ein viel bärigerer Berliner. Nicht nur, weil er Leverkusen ausbootete und die Hauptstadt als WM-Mannschaftsquartier gegen den DFB durchsetzte. Nicht nur, weil er hier das WM-Aufgebot verkündete. Sondern auch, weil er dem Taxifahrer und allen anderen Berlinern eine Party von Wiedervereinigungsrausch-Wert bescheren möchte. Den WM-Titel - sofern ihn Ballack & Co holen - will der Bundestrainer nicht auf dem Frankfurter Römer sondern am Brandenburger Tor feiern. Nach dieser Entscheidung wird beim DFB - der bekanntlich seinen Sitz in der Main-Metropole hat - wohl kaum einer vom Stuhl aufgesprungen sein, um die "La Ola" zu zelebrieren.
Aber unser Taxifahrer, der würde die Welle dann vielleicht doch mitmachen. Selig und siegestrunken. Am 10. Juli, dem Tag nach dem WM-Finale Und für ein paar Augenblicke verlören die Sorgen des Alltags ihren Schrecken. Auch und gerade für unseren Taxifahrer. Weil auch er ein Weltmeister wäre.
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