Gestern Abend, nach dem Polenspiel. Die U-Bahnstation an der Dortmunder WM-Arena ist wegen Überfüllung geschlossen. Taxi? Keine Chance, auch die Straßen sind dicht. So nehme ich den gut 30-minütigen Fußmarsch über die Fan-Meile zum Hotel auf mich. Kurz vor meinem Ziel passiert’s: Hooligan-Randale in der Innenstadt. Dortmund im Ausnahmezustand. Schreie, Geschubse, Gläser bersten. Und schon rast eine Wand von einigen hundert Menschen auf mich zu. Ich spüre Panik aufsteigen, Hilflosigkeit, bleibe zu meiner eigenen Verblüffung wie angewurzelt stehen.
„Weg, weg, weg!“ ruft einer aus der Menge, reißt mich aus meiner Lähmung. Ich kann mich gerade noch in den Eingang eines Einkaufszentrums flüchten. Ich glaube zumindest, dass es ein Einkaufszentrum war. Hektisch suche ich einen anderen Ausgang. Finde ihn. Ich spurte mit meinem Laptop auf der Schulter zum Hotel. Mit weichen Knien und ziemlich verstört erreiche ich mein Zimmer. Meine Hände zittern. Ich muss eine Zigarette rauchen. Das ist ungesund, ich weiß. Aber an diesem Abend hätte die WM für mich weit ungesunder sein können.
P.S.: Heute bin ich nicht mehr verstört, sondern richtig wütend. Auf die Hooligans, die diese bislang so heitere WM für stumpfsinnige Randale missbrauchen wollen. Aber im Gegensatz zu denen kann ich mich immerhin mit Worten wehren. Was ich von den Krawallmachern halte, hat der große deutsche Publizist Karl Kraus voll bösen Spotts einmal so formuliert: „Es genügt nicht, keine Gedanken zu haben. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“
Bedrückend -- in den Medienberichten klang das Ganze noch relativ harmlos. Wenn man es aber mal aus erster Hand erfährt, ist es doch was ganz anderes.
Fabian am 15.06.06 14:39
Tja und dann schaffte es die Deutsche Bahn auch wieder mal hervorragend, einen Zug welcher ,um 0.23 von Dortmund nach Iserlohn fahren sollte, mit der lächerlichen Fahrzeit von 2,5 Stunden nach Schwerte/Ruhr zu befördern.
Durchsagen erfolgten natürlich keine, und die ohnehin schon alkoholisierten Fans fingen dann auch noch an die Nothämmer und sonstige nicht gut befestigte Gegenstände abzureissen, was der Stimmung im Zug ebenfalls sehr zuträglich war.
DIE INFORMATIONSPOLITIK DER DEUTSCHEN BAHN AG, WELCHE JA LAUT MEHDORN HERVORRAGEND AUF DIE WM VORBEREITET IST,FAND NICHT STATT.
Woodie am 15.06.06 15:43
Hallo Frank, gut, dass dir nichts passiert ist. Immer schön der Gefahr aus dem Weg gehen, gelle?
Lg, Maike
maike am 15.06.06 15:45
Ich war auch in Dortmund, habe aber von den Ausschreitungen wirklich nichts mitbekommen. Zum Glück bleiben solche Aktionen Ausnahmen. Der Rest dieser Feier war nämlich super.
Markus am 15.06.06 15:58
Lieber Frank,
gut, dass Dir nichts passiert ist! Und dass Du Dir von diesem unerqicklichen Zwischenfall nicht die WM-Laune verderben lässt. Sollten die es nochmal wagen, sich Dir in den Weg zu stellen, sag Bescheid: Ich hab´da ein paar russische Kumpels :-;
LG, Abadha
Jivan Abadha am 16.06.06 08:22
Ich war mit meinem Mann und meiner Tochter gegen 19.00 Uhr am Friedensplatz. Zu diesem Zeitpunkt waren schon alle Eingänge geschlossen, weil angeblich schon zuviele Menschen auf dem Platz waren. Die Absperrungen führten bei vielen Fans schon zu grossen Unmut und Ärger war vorprogrammiert. Viele und wir auch suchten uns einen anderen Eingang, wir krabbelten irgendwo unter dem Zaun her und waren am Ziel unserer Wünsche. Die Stimmung auf dem Platz war sehr gut. Allerdings war kein Platz mehr frei, von dem man aus das Spiel hätte anschauen können.
So beschlossen wir schweren Herzens nach hause zu fahren und doch am Fernseher das Spiel anzusehen.
Wir mussten dann feststellen, dass es nicht möglich war durch einen der Ein-/Ausgänge den Platz wieder zu verlassen. Der Druck der Fans, di noch auf den Platz wollten, war zu gross, da war kein
Durchkommen. Wir fanden eine Stelle, an der es wohl möglich gewesen wäre, da es kein offizieller Ein-/Ausgang war. Der anwesende Sicherheitsmann liess uns jedoch nicht raus. Es kamen zwei Polizisten hinzu, die ausserordentlich unfreundlich auf unseren Wunsch reagierten.
Ein anderer FAN, der offensichtlich unter Platzangst litt, wurde auch nicht durchgelassen. Die Polizisten nahmen eine unangenehme Drohhaltung an und zeigten nicht die Spur Verständnis.
Wir haben es dann noch an einer anderen Stelle versucht. Dort schickte uns dann ein freundlicherer Polizist wieder zu der Stelle, an der man uns vorher nicht rausgelassen hatte.
Nach einigem Hin und Her hat uns dann der Sicherheitsbeauftragte mit Hängen und Würgen rausgelassen.
Ich wüsste zu gern, wer für diese idiotische Idee, den Platz einzuzäumen, verantwortlich ist. Da ist Panik und Stress vorprogrammiert. Vor allen Dingen, wenn ein "Fluchtweg" nicht vorgesehen ist. Sehr schwach und keineswegs weltmeisterlich organisiert.
Wenn man auf den Platz will, muss man Kontrollen nach Flaschen usw. über sich ergehen lassen und rundherum liegen sie zu Hunderten auf dem Boden und können ganz leicht auf den Platz geworfen werden.
Ich hätte mir solche Polizisten gewünscht, wie sie bei unseren Heimspielen mit dem BVB anwesend sind. Ruhig, freundlich, nachsichtig und doch bestimmt. Solche habe ich nicht getroffen.
Renate Kreutzmann am 16.06.06 20:14
Trackback-URL zu diesem Eintrag:
http://wdrblog.de/mtadmin/mt-tb.cgi/922
Permanente URL dieser Seite: https://www.ard-sportblog.de/archives/2006/06/in_dortmund_ler_1.html