Die Engländer kommen. Falsch, sie sind bereits da. An jeder Ecke, in jeder Kneipe, an den Verkaufsständen - bereits zwei Tage vor dem letzten Gruppenspiel der "Three Lions" gegen Schweden füllt sich Köln mit Fans von der Insel - erwartet werden über 40.000.
Die Kölner Kneipen erhöhen den Biervorrat und die Stadt eröffnet rechtzeitig zum Spiel am Dienstag eine weitere "Viewing Area" auf der rechten Rheinseite (Deutzer Kirmesplatz). Trotz erheblichem Alkoholkonsum ist die Stimmung bisher friedlich.
Vor dem Dom liegt eine etwa zwölf mal sechs Meter große Englandfahne, auf der Fans ihre Unterschriften verewigen können. Doch es gibt auch Besorgnis erregende Szenen: Am Friesenplatz habe ich 25 als Touristen verkleidete, aber äußerst verdächtig aussehende Engländer gesichtet, die mit Einwegkameras bewaffnet die Lage erkundeten.
Hoffentlich bleibt es so friedlich wie bisher.
Link: Neue "Public Viewing"-Fläche in Deutz
Nicht mittendrin, aber trotzdem voll dabei - so oder so ähnlich müssen sich die über 600 Kleingärtner fühlen, die ein kleines grünes Reich direkt vor dem Nürnberger Stadion besitzen. Die FIFA wollte, so erzählte man mir, ihre Gärten so gut wie dicht machen, weil sie innerhalb der Bannmeile liegen. Aber so ein Kleingärtner ist zäh. Und so liegen oder sitzen die Naturfreaks bei WM-Spielen in Nürnberg fröhlich auf ihren Liegen rum, sehn die Partien über den Fernseher, hören die Atmosphäre aber live vom Stadion rüberwehen, fast so, als würden sie mitten drin sitzen. Übrigens wissen die Kleingärtner immer als erstes, wenn ein Tor in Nürnberg fällt: Denn bis Fernseh-Bild und Fernseh-Ton über Satellit in die Kabelnetze eingespeist wurden, ist der Torjubel vor Ort schon fast verraucht.
Kleingarten-Kolonie vor dem Stadion (4 min) |
>> Zum Video |
hallo michael!
echt guter beitrag über uns und unsere gartenkolonie. vielen dank nochmal, und die einladung bei uns im garten für dich und deinen kollegen, dessen namen ich vergessen habe, fürs achtel-finale gilt immer noch. könnt evtl. noch ein paar eindrücke vom einzigen und wahren "FRANKENSTADION" mitnehmen.
servus
andi
Andreas Dremel am 19.06.06 22:03
Hallo Andi!
Besten Dank für die erneute Einladung, war sehr nett bei Euch. Wir planen gerade unsere nächste Berichterstattung für Sonntag. Vielleicht haben wir vor unserem Einsatz etwas Zeit, um bei Euch vorbeizuschauen. Kommt ganz darauf an, wann wir wo in der Stadt unterwegs sind.
Viele Grüße,
Martin alias "der Kollege!" ;-)
Martin Hähnlein am 20.06.06 11:48
hallo martin!
sorry weng "der kollege", aber ich hobb dein noma wergli nimmer gwißt, wenner zeit hobbt is o.k., wenner ka zeit hobbt dann is a o.k. . ich winshc eich viel schbass am sundoch, falls mer uns nimmer seng!
servus und adee, a morng werd's widder schee
andi
Andreas Dremel am 22.06.06 11:40
Da kehrt man zwischen zwei WM-Spielen kurz an den Rechner zurück, liest in den Einträgen der geschätzten WM-Blog-Kollegen und entdeckt Unglaubliches: Der Kollege Göllner, bei dem ich Stein und Bein geschworen hätte, dass er irgendwo zwischen Nordsee und Alpen das Licht der Welt erblickt hat, ist in Wahrheit in Rio de Janeiro geboren. (Siehe oberes Foto unten rechts) Oder können Bildunterzeilen lügen? Und Kollege Hinz hat bislang erfolgreich verschwiegen, dass Horst Hrubesch sein Halbbruder ist (siehe unteres Foto).
Naja. Wenn wir schon beim Outen sind, kann ja auch ich beichten, dass ich im zarten Alter von 13 Jahren offenbar mehr Lippenstift aufgetragen habe, als andere Jungs es in diesem Alter für gewöhnlich tun. Nee, ist natürlich Quatsch: Für kleines Geld druckt einem diese italienische Sammelbildfirma jedes gemailte Foto als echtes Klebebild. Und bei der Farbverteilung scheint eben ab und zu was durcheinander zu geraten. Aber zur Sicherheit frag ich nochmal meine Mutter, ob ich damals anders als die anderen Kinder gewesen bin.
PS.: Ich häng mich mal weit aus dem Fenster: Eben, beim Spiel Brasilien gegen Australien habe ich definitiv NICHT den kommenden Weltmeister gesehen.
PPS.: Wo ich mein Sammelalbum gerade in der Hand halte: Man stelle sich vor, Jürgen Klinsmann würde fünf Miroslavs Kloses (wie ich als schlechter Onomastiker erst jetzt erfahren habe, steht der Familienname VOR dem Vornamen) in die Nationalmannschaft berufen. Was gäb das für ein Durcheinander: "Abstoss von Klose, Klose passt auf Klose, der spielt ab auf Klose, Klose schießt, vorbei..."
Autsch,
Kim ist der Nachname, also sind es fünf Kloses.
Gruß,
olr
olr am 18.06.06 23:44
ppps:
wohl eher fünf klöse als miroslavs. oder doch kloses...??
f. am 19.06.06 08:57
Hallo!
Anmerkung zu ihrem "PPS": KIM ist nicht der Vorname sondern der Nachname! In Korea wird stets der Nachname als erstes genannt. Also macht ihr Vergleich bezüglich Herrn Klose keinen Sinn.
Mit freundlichen Grüßen, G. Ross
G. Ross am 19.06.06 09:01
sowas ähnliches hat doch der ecudorianische trainer mit den zwei tenorios auch gemacht. unverschämtheit! und ich bin beim einkleben auch noch drauf reingefallen... kann ich mich wohl von meinem plan, mein volles panini-album als anzahlung auf die aussteuer (oder wenigstens ein neues auto) zu verwenden, verabschieden ;-)
weiter so, euer blog ist super..!
astrid am 19.06.06 10:34
Darf die deutsche Elf für den Fortgang der WM auf Beistand von ganz oben hoffen? Diesen Sinnspruch habe ich ganz in der Nähe des deutschen Mannschaftsquartiers an einer Hausfassade im Berliner Grunewald entdeckt. Und der passt doch zum bisherigen Turnierverlauf der Klinsmann-Elf wie Oliver Neuvilles Last-Minute-Treffer zum Polen-Krimi. Gott als 13. Mann - da kann eigentlich nicht mehr so viel schief gehen. Wenngleich die Wege des Herrn unergründlich sind.
Und da denkt man in dieser an Topnews nicht gerade armen Zeit (Kahn hat sich beim Daumendrücken für Lehmann verletzt u.ä. Wichtiges)das Füllhorn des investigativem Journalismus sei irgendwann einmal geleert ... So kann man sich täuschen. Kommt doch wie aus heiterem Himmel der Herr (Menke) daher und entfaltet auf engstem Raum eine theologische Dialektik der episkopalen Sonderklasse. Gott als 13.(!) Mann!!! Vermutlich trägt sein Fantrikot die Rückennummer 666. Nur so wäre das Wunder von Dortmund gegen die 100% katholischen Polen rational erklärlich. Oder liegt es doch eher hieran: wir sind ja seit kurzem Papst.
Pagane Grüße aus dem Norden
Dirk am 18.06.06 19:21
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Richtig, Fabian Ernst ist bei der WM nicht dabei.
Nein, im Ernst: Das Göllner-Bild unten rechts gehört da natürlich nicht hin. Andererseits: Der Kuranyi, der da vorher klebte, war auch nicht besser. Egal. Es geht um Grundsätzliches: Fußballbilder sammeln. Ist ja irgendwie peinlich, als erwachsener Mensch mit zwei Kindern blöde Bilderpäckchen zu kaufen und selber einzukleben. Also habe ich mit mir einen Kompromiss geschlossen: Ich sammel’ auch, geb aber nix aus. Und klebe heimlich.
Ich schmarotze mich also durch den Büroalltag, bettele um Doppelte oder Dreifache von anderen Sammlern und stürze mich auf kostenlose Packungen in Zeitschriften. Mit der Strategie bin ich bislang allerdings nicht weit gekommen. Daher jetzt der Joker mit den eigenen Bildern. So kommt Kollege Olli Hinz (Foto rechts) auch mal richtig zur Geltung.
Wäre Herr Blatter nicht so ein Spielverderber, gäbe es an dieser Stelle ein schönes Hörbeispiel aus dem Kölner Stadion vom gestrigen Spiel Tschechien - Ghana. Denn wie auch bei den Ligaspielen stimmte der lokalpatriotisch orientierte Teil des Publikums gegen Ende der Begegnung den Kölner Karnevalsschlager "Viva Colonia" an. Dank der eingängigen Melodie dauerte es nicht lang, und auch der ghanaische Fanblock auf der Südtribüne stimmte mit ein. Aus dem Mund des Mannes neben mir klang die Liedzeile "Da simma dabei, das ist prihima" allerdings ein bisschen wie eine alte, afrikanische Volksweise: "Assimarawei, rassiprihiwa".
Nach dem Spiel wurde dann deutlich textsicherer mit eigenem Liedgut auf der Stadionwiese weitergesungen:
So feiern ghanaische Fans: Klicken und hören
Ein Polizeisprecher aus dem Regierungsbezirk Arnsberg hat sich gemeldet. Es gibt Neuigkeiten zu der Verkehrskontrolle in einer Baustelle auf der A 2 bei Hamm am Donnerstagabend. Für alle, die sich nicht so für Fußball und die WM interessieren: Gegen 23 Uhr war dort Argentiniens nicht mehr aktiver Superstar Diego Maradona („Hand Gottes“) mit Tempo 120 in seinem Van geblitzt worden. Die Polizei-Einsatzleitung legt Wert auf die Feststellung, dass Argentiniens Edelfan dafür nicht 200, sondern nur 95 Euro zahlen musste. Aber Cash. Auf polizeideutsch heißt das "Sicherheitsleistung". Ausländische Verkehrssünder müssen Strafen bei der deutschen Polizei direkt und bar begleichen.
Mr. Plasma heißt eigentlich Chad Bishop und kommt aus Houston/Texas. Er ist großer Fußballfan und Teil von "Uncle Sam's Army", den Anhängern des US-Nationalteams. Weil aber seine Frau nicht wollte, dass er die gesamten Ersparnisse in Germany auf den Kopp haut, hat sich Chad etwas einfallen lassen.
Stolz zeigt er mir die Einstichstellen an beiden Armen. Über sechs Monate hinweg spendete er zwei Mal wöchentlich Blutplasma, um mit dem Geld seine Reise zur WM zu finanzieren.
Vielleicht ist er jetzt so blutleer, dass er deshalb sein blasses Gesicht hinter einer Maske verstecken muss. Alles andere als blutleer hingegen war die Darbietung der US-Boys im Spiel gegen Italien - vielleicht das beste Spiel der Amis, seit der WM-Viertelfinalbegegnung gegen Deutschland 2002.
Hier gibt's Mr. Plasmas Originalkommentar als mp3-Audio.
Diese WM verändert - sogar unsere Polizei. Alles ist anders. Als ich gestern Nacht vom Fanfest am Hauptmarkt nach Hause spazierte, spielten ein paar Ghanaer Autokorso. Mehr als sieben, acht Autos waren es nicht. Und was machte unsere Nürnberger Polizei? Sie erinnerte das kleiner Häufchen Schwarzafrikaner nicht etwa an die in Deutschland herrschende Straßenverkehrsordnung, nein. Sie sperrte die Königsstraße. „Sollns doch feiern“, meinte einer der sperrenden Polizisten auf Nachfrage, „ham sich’s verdient. Ham gut gspielt. Ham Sie es Spiel gsehn?“
1,25 Minuten japanisch-krotisch-ghanaische Fanfreude: |
Windows Media: Modem (0,5 MB) – DSL (9 MB) |
Softy-Muskelmann
Ja, habe ich. Aber noch beeindruckender als die Spiele in den Stadien, ist die Freundlichkeits- und Euphoriewelle die vor niemandem Halt zu machen scheint, nicht einmal vor der fränkischen Polizei - oder vor sonst so grimmigen Security-Leuten. Denn auf dem eben schon angesprochenen Fanfest am Hauptmarkt beobachtete ich noch folgende Szene: Ein kleiner Japaner wollte mit zwei bis zum Rand befüllten Plastikbechern zum Festplatz rein. Da er die Getränke aber draußen gekauft hatte, ließ ihn der Sicherheitsmann nicht durch. Mit welcher Sanftmut, Geduld und Liebenswürdigkeit dann dieser riesige Berg aus Muskeln dem verständnislos dreinblickenden Japaner die Sachlage zu erklären versuchte, das rührte mich beinahe zu Tränen.
Keine Gegner
Aber natürlich nicht nur die Einheimischen, sondern auch die Gäste tragen ihren Teil dazu bei, dass kein Tag vergeht, an dem man Nachts nicht völlig aufgewühlt ins Bett sinkt – es sei denn, man hat sich dem Ganzen bewusst entzogen und ist daheim geblieben. Nochmals zum Hauptmarkt: Ich kam dort gestern während des Spiels Italien gegen USA an. Zuvor hatte Ghana Tschechien geputzt. Ein Tag später würde Japan gegen Kroatien in Nürnberg spielen. Dementsprechend war die Mischung des Publikums. Die meisten schauten natürlich gebannt das Spiel, aber für eine größere Gruppe war die Partie Nebensache: Japaner, Kroaten, Ghanaer und was sonst noch dabei war, zogen es vor, zu tanzen. Sie tauschten Kopfbedeckungen und Brillen aus, lagen sich in den Armen und ließen sich gemeinsam fotografieren. Dass sie einen Tag später auf dem Fußballplatz Gegner sein würden, das interessierte sie nicht (siehe Video).
1,25 Minuten japanisch-krotisch-ghanaische Fanfreude: |
Windows Media: Modem (0,5 MB) – DSL (9 MB) |
Genießen!
Was wird nach dieser WM sein? Bleibt auch dann alles anders? Wie viel von der Euphorie, der Herzlichkeit, die Nürnberg in diesen Tagen durchtränkt, wie viel wird übrig bleiben? Aber wozu jetzt schon daran denken: Genießen wir’s einfach!
Wir lesen und hören in diesen Tagen viel von Gewinnern, vom Jubel, vom Rausch. Doch was ist mit den Verlierern, den Traurigen und Enttäuschten? Wir geben ab nach Westerburg, zum Quartier des tschechischen Teams. Torhüter Petr Cech, bitte!
"So ein Spiel habe ich letztmals vor zehn Jahren in der Schule erlebt. Da haben wir 2:9 verloren. Die anderen waren fünf Jahre älter." Zur Erinnerung: Die Gegner waren keine Oberstufenschüler, sondern Ghanas beste Fußballer - zum ersten Mal bei einer WM. Und das Ergebnis 0:2.
Mein MP3-Recorder lag schon bereit, um nach Ende des Spiels gegen das vermeintlich amerikanische Kanonenfutter frenetische Jubelschreie der Italiener aufzunehmen. Doch Pustekuchen: In der Kölner Südstadt, wo sich in einer kleinen Seitenstraße über dreihundert fußballbegeisterte Italiener und italienische Sympathisanten versammelt hatten, war nach Spielschluss niemandem zum Feiern zu Mute.
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