War gerade auf der Pressekonferenz nach dem USA-Tschechien-Spiel.
Wissend, dass die amerikanische Brauerei "Anheuser Busch" eine Markenstreit gegen die tschechische Brauerei "Budweiser" um die Namensrechte deren Gestensaftes führt, mutet es fast als geschickter Schachzug an, einem Tschechen den Preis des besten Spielers des Spiels zu geben - und dann auch noch auf Schalke.
Tomas Rosicky hat den Preis natürlich wirklich verdient, der ansonsten durch gute Pässe auffällige Ex-Dortmunder hat heute gleich zwei Mal getroffen. Ob er den metallenen Bierkrug mit US-Logo als Trophäe allerdings irgendwo hinstellt? Auf jedenfall hat er sich über diesen Umstand köstlich amüsiert.
Hängende Gesichter auf Seiten der amerikanischen Spieler. Die WM ist eben nicht der Gold Cup und Tschechien nicht Guatemala oder Honduras. Ich denke, das war's für die Amis in dieser WM. Gegen Italien gibt's maximal ein Unentschieden und Ghana müssen sie auch erstmal schlagen.
„Patriotismus ist die Tugend der Bosheit“, lästerte Oscar Wilde. Nun hat Christoph Metzelder Wilde vielleicht gar nicht gelesen. Der Dortmunder Verteidiger redet ja auch vielmehr einem Kuschelpatriotismus das Wort. Ihn würde es glücklich machen, wenn sich die deutschen Fans übermorgen gegen Polen genauso lieb hätten wie die Nationalspieler vor der Eröffnungspartie gegen Costa Rica. Wie die Klinsmänner sollen sich alle Schwarz-Rot-Goldenen beim Abspielen unserer Nationalhymne in den Arm nehmen. Du bist Deutschland, und du bist nicht allein. Die Spieler wollen mit dem Schulterschluss demonstrieren, „dass wir für unser Land alles geben“. Nun tun wir Deutschen uns mit einem lässigen Patriotismus – einem Patriotismus light sozusagen - ja schon traditionell schwer. Aber der schlaue Metzelder hat bestimmt Nietzsche gelesen. Der hatte erkannt: „Wer ein Warum hat, dem ist kein Wie zu schwer.“
In Frankfurt bekommen sogar die Dinosaurier eigene Trikots! Das Senckenbergmuseum hat diesen Dino zur WM passend eingekleidet.
Als ich vorhin das erste Mal auf dem Weg zum Gelsenkirchener Stadion war, begegneten mir einige amerikanische Fans, die wohl zu oft das XXL-Menü bestellt haben. Das war wohl zuviel der Gehässigkeit in Gedanken - kleine Sünden bestraft der liebe Gott bekanntlich sofort.
...oder, wie die Herren in XXL wohl sagen würden: Shit happens.
Marion am 12.06.06 21:49
Hallo Stefan, hallo WDR!
Ein schönes Weblog beschert ihr uns da in der Soccer-Diaspora Kanada. Danke! Das sind genau die Schmankerln, die man sonst vergeblich sucht. Grüße aus dem Wilden Westen, Herby
Northern_Sun am 13.06.06 01:39
Die WM verfolgt einen sogar beim Essen. Die SWR-Kantine bietet in dieser Woche täglich je ein typisches Gericht aus dem Land zweier Gruppengegner als Auswahl. Heute:
Ehrlich gesagt: So richtig lange musste ich heute nicht überlegen. 1:0 für Italien – übrigens genau mein Tipp für heute Abend!
Am Mittwoch könnte es spannender werden: Da trifft Deutschland auf Polen oder kulinarisch: Dem Rheinischen Sauerbraten steht ein Gericht namens Bigos gegenüber. Dabei handelt es sich laut Speiseplan um ein Schweine-/Rindergulasch mit Weißkraut und Weißwein.
Sauerbraten? Weißkraut? Bei dem Wetter? Da tippe ich doch spontan mal auf ein 0:0. ;-)
Ich befürchte auch, dass Italien gewinnt. Aber höher. Um die afrikanischen Teams ist es am Ende schade. Sie werden alle ausscheiden.
Norbert am 12.06.06 18:57
Da gibt's so was geiles in eurer Kantine, und Du nimmst die Lasagne??? Hoffentlich wird das Spiel nicht genauso 08/15 wie deine Speisenauswahl ;)
Reiner am 12.06.06 19:58
@ Reiner: Bin ja grundsätzlich immer für Neues zu haben, aber Erdnussbutter, und dann noch in Kombination mit Hähnchen und Chili? Nee, lass mal! ;-)
Aber das Spiel war doch nicht sooo schlecht, oder? Wie die Lasagne eben.
Wolfram Porr am 13.06.06 13:37
Ein Klassiker: Ich stehe vor dem Eingang des Gelsenkirchener Stadions, wo heute besonders penibel kontrolliert wird und mir fehlt etwas wesentliches: meine Karte. Muss sie in meinem Chaos im Auto vergessen haben. Super Aktion bei 33 Grad Außentemperatur, einer vier Kilo schweren Tasche über der Schulter und einem Parkplatz in drei Kilometer Entfernung. Dumm außerdem: Das Spiel beginnt in 28 Minuten. Hilft alles nix, Beine in die Hand. Überraschung dann am Auto: keine Karte. Meine Tasche dann nochmal genau durchsucht, naja und der Rest - ein Klassiker eben...
Kein Wunder bei der Dauerhatz zwischen hier (NRW-West)und dort (NRW-Ost) und wieder zurück (Mitte). Darauf ein kühles Helles! Schönen Feierabend trotzdem ;-)
Marion am 12.06.06 21:47
Nur für den Fall, ich meine, es könnte ja sein – man wagt es ja gar nicht laut zu sagen – gerade nach diesem Start, aber was, bitte schön, würde hier in unserem Land passieren, wenn – ähhh (klopf auf Holz!), unsere Mannschaft bei diesem Fußball-Turnier doch noch frühzeitig scheitern sollte? Also, ich habe einen Notfallplan. Ganz klar: Ich guck dann Ullrich! Erst bei der Tour de Suisse, dann bei der Tour de France. Berge rauf, Kampf gegen die Uhr, Mitrollen im Feld - Ulle den ganzen Tag. Ullrich ist sozusagen mein persönlicher Sport-Joker. Doch zurück zur WM: Phantastisches Wochenende, jubelnde Fans, tolle Spiele, Kaiserwetter in den Stadien. Dafür verantwortlich ist übrigens - Achtung, jetzt folgt ein Wortwitz – Hoch Ulrich. Na, ja, vielleicht doch zu lange in der Sonne gewesen…
Es gibt sie also doch, die WM-Muffel! Mariusz zum Beispiel, mein Friseur. Früher in Polen hat er sogar selbst aktiv gekickt, und gar nicht mal so unterklassig, wie er betont. Aber die WM? Nein, die interessiere ihn überhaupt nicht. Der ganze Sport, sagt er, sei ihm zu kommerzialisiert. „Das verdirbt den Charakter.“
Auch in meinem Getränkemarkt treffe ich einen, den der ganze WM-Hype völlig kalt lässt. Der Inhaber des Ladens ist Amerikaner, und auf meine Frage, was die US-Boys heute gegen die Tschechen reißen, antwortet er augenzwinkernd nur: „Bei was? Beim Baseball?“
Und genau aus dem Grund, können die USA heute auch nicht gewinnen. Da steckt zu wenig Interesse von den Amis dahinter und so auch zu Wenig Motivation. Da kann sogar ein Land wie Tschechien gewinnen.
Gregor am 12.06.06 15:51
Ich muss mich korrigieren. Vorher schrieb ich, die Amis hätten außer "USA, USA"-Rufen nichts drauf. Stimmt nicht. In Gelsenkirchen sind sie lautstark, farbenfroh und zahlreich vertreten.
Hier eine Kostprobe us-amerikanischer Fangesänge.
Ansonsten lasse ich hier jetzt Bilder sprechen.
Die Organisation lässt mich erneut im Stich. Wie schon in München ist auch am Gelsenkirchener Hauptbahnhof keine Spur eines "Media Shuttles", mit dem man als Journalist schnell und mitsamt Gepäck zum Stadion gelangen kann. Hinweisschilder gibt's, aber von Bussen weit und breit keine Spur. Liebes WM-OK, da hätte ich aber deutlich mehr erwartet.
Ich entscheide mich also dafür, meine Spesenrechnung in die Höhe zu treiben und nehme ein Taxi. Ein anderes Bild der Organisation liefert der Fahrer, Herr Detward: "Letzte Woche haben sich alle Taxiunternehmer und Fahrer mit der FIFA getroffen. Da wurden wir über die möglichen Anfahrtswege zum Stadion informiert." Jeder Fahrer hat einen Plan der Stadionumgebung bei sich und weiß, wo er halten darf und wo nicht. Na bitte, es geht doch.
Noch ein Nachtrag zur Nacht von Sonntag auf Montag: Plötzlich ist sie da, die orange Freude. Nein, es sind nicht etwa die Jungs von der Stadtreinigung. Es sind die niederländischen Fans, die plötzlich im Johanna-Park, unweit des us-amerikanischen Generalkonsulats auftauchen. Voller Freude über das Spiel wird gefeiert. Und da, wo gerade ein deutsches Hobby-Blasorchester Volksweisen übt, wird plötzlich losgetanzt. Deutsch-niederländische Ausgelassenheit. Schade, dass meine Kamera nicht fotografieren will. Aber die Kollegen haben eine Bildgalerie von den nachmittäglichen Feiern veröffenlticht: Bitte klicken!
Die Spannung steigt für meine US-Amerikanischen Gäste. Bereits früh machen sie sich auf den Weg nach Gelsenkirchen, um nur ja nichts vom ersten Spiel ihres Teams und von der Atmosphäre rund um das Station zu verpassen.
Jeffrey Marcus (31, links) aus New York und Thomas Deters (33) aus Moskau wollen sich vorher noch schnell Fan-Accesoires besorgen, entscheiden sich dann aber doch für den klassischen Look - ein schlichtes Team USA Trikot.
Mit einem Sechserträger Bier geht es zum Zug - die Party kann beginnen. Zuversicht auch bei den anderen USA-Fans, "USA, USA ..."-Rufe allerorten. Was den Einfallsreichtum der Fangesänge angeht, stehen die Amerikaner den Deutschen in nichts nach.
Und ich bin sicher, wenn mehr Fensterfläche zur Verfügung gestanden hätte, würden alle 32 Teilnehmerländer im Fahrtwind flattern. Für Nachahmer: Aufpassen, dass die Polizei dem bunten Geflatter kein Ende bereitet.
"Aufpassen, dass die Polizei ..."
- man weiß doch, dass man in Deutschland ist...
Gregor am 12.06.06 21:48
Genau,denn daß entspricht nicht den
gebenen Richtlinien und Vorschriften!lol
Ilka am 13.06.06 17:21
Ich muss unbedingt noch ein Erlebnis von letzten Freitag erzählen: Ich wurde ziemlich unruhig, als ich merkte, dass ich nicht rechtzeitig zum Anpfiff des Eröffnungsspiels vor dem Fernseher sitzen werde. In den ersten zehn Minuten hechtete ich noch durch die Straßen.
Und das war unerwartet spannend, denn ich konnte die Fernsehkommentare und teilweise auch die Bilder des Spiels von Haus zu Haus verfolgen. Auch das erste Tor von Philipp Lahm und die Jubelschreie der Zuschauer erlebte ich live an einer Eckkneipe. Es war ein sehr interessantes Gefühl, dass (fast) der komplette Stadtteil das selbe Programm konsumiert und ich dadurch auf der Straße ebenfalls ganz gut informiert war.
Das erste WM-Wochenende ist vorbei und ich hab mir gleichzeitig einen Sonnenbrand und eine Erkältung geholt - aber schön war's trotzdem auf der Fanmeile im Tiergarten. Schön voll vor allem - erstmal mengentechnisch, später auch in anderer Beziehung, aber bisher immer noch alles ganz friedlich.
Die größte Attraktion schienen gestern weniger die übertragenen Spiele zu sein (obwohl ich bei den Niederländern und in Teilen bei Mexico auch als Laiin das erste Mal "das schöne Spiel" durchblitzen sah), sondern Ex-Bundestrainer Rudi Völler, der zusammen mit Günther Jauch vor dem Brandenburger Tor Spielanalyse betrieb - oder es zumindest versuchte. Denn zeitweise waren die Fanchöre ("Ruuu-di Völ-ler... Ruuu-di Völ-ler..." etc.) so laut, dass der arme Mann sich kaum konzentrieren konnte.
Leider musste ich am Abend an mir beobachten, dass ich in typisch weibliches Klischee-Verhalten zurückgefallen bin, als Portugal auflief... Luis Figo ist eben doch der Schönste. (Ich kenne Kinder, die AUF WUNSCH DER MUTTER Luis heißen)
Meine liebste neu gelernte Fußball-Vokabel: "Fallrückzieher".
An die täglichen Zeitungsbeilagen mit "Superangeboten" für Flachbild-Fernseher, WM-T-Shirts und alle möglichen WM-Kopfbedeckungen (die meisten davon würde ich nicht mal an Fastnacht tragen) habe ich mich ja schon gewöhnt. Aber der Prospekt eines bundesweit agierenden Discounters lies mich dann doch staunen: Unter der Rubrik "Nur für kurze Zeit" wurde ein "WM WC-Papier" angeboten "mit Fußballmotiven und Rasenduft (!)".
Also den Duft von Zitrone und Orange am 'stillen Örtchen' habe ich ja ganz gerne – aber der Geruch von frisch gemähtem Gras? Das weckt eher unangenehme olfaktorische Erinnerungen an bewegte Wildcamping-Zeiten. Mitten in der französischen Wildnis, ein dringendes Bedürfnis und kein Klopapier oder Tempo zur Hand .... dafür aber jede Menge hohes Gras. Den Rest könnt ihr euch selber denken.
Da war ich wohl ein bisschen voreilig, was die Stimmung im Kölner Stadion angeht. In der zweiten Halbzeit verebbte die La Ola schon im ersten Durchlauf regelmäßig dort, wo sich die Prominenz auf den Business-Seats lümmelt und auch von den zigtausend Portugalfans ist außer sporadischen "Figo", "Figo"-Rufen kaum noch etwas zu hören gewesen. Lediglich die das gesamte Stadion beschallende angolanische Blaskapelle schien dem Duracell-Hasen Konkurrenz machen zu wollen. Eindeutiger Höhepunkt im zweiten Durchgang: als in der 72. Spielminute der kölsche Karnevalsschlager "Viva Colonia" angestimmt wird. Und zumindest was den Mitsingfaktor angeht, hat Grönemeyers WM-Hymne dagegen keine Chance. Insgesamt hinterlässt der schöne Abend allerdings einige offene Fragen, zum Beispiel: Warum um alles in der Welt verlassen immer wieder Hunderte von angeblichen Fußballfans das Stadion schon VOR Spielende, nur damit sie mit einem hauchdünnen Vorsprung am Auto sind? Warum waren im offiziell ausverkauften Stadion hier und da sichtbare Lücken in den Zuschauerreihen? Warum ist die Getränkeversorgung in Köln mindestens genauso chaotisch organisiert wie in Dortmund? Was ist der Vorteil von einem "Braternoster" gegenüber einem herkömmlichen Bratwurstgrill? Vor allem aber: Warum ist Mutter Beimer alias Marie Luise Marjan eigentlich überall, wo eine Kamera in der Nähe ist?
P.S.: Wir hier in Köln haben das schönste Zweitligastadion der Welt.
Die Frage, was der Vorteil von einem Braternoster gegenüber einem herkömmlichen Bratwurstgrill ist, will ich gerne beantworten.
Im Braternoster werden gleichzeitig ca. 100 Bratwürstchen gegrillt. Die Bratwürstchen fahren dabei wie im Paternosteraufzug an den Brennern vorbei. Alle 30 Sekunden werden 10 frisch gegrillte Bratwürstchen fertig und die Nächsten machen sich auf die Reise.
Als Fan bekommt man so auch bei großem Ansturm auf den Kiosk eine optimal gegrillte Wurst fürs Geld.
Die Zeiten von halbgaren, warmgehaltenen oder verbrannten Würstchen sind damit vorbei!
Außerdem schmoren die Bratwürstchen nicht im eigenen Saft vor sich hin, denn überschüssiges Fett tropft ab und muß nicht mitgegessen werden.
Bei den anderen Fragen muß ich leider passen.
Gruß
Marco
(Braternoster-Maschinist)
Marco Euskirchen am 14.06.06 16:37
Danke für die Aufklärung an der Bratwurstfront, Marco. Ich werde es mal auf einen Versuch ankommen lassen. Und dennoch: So ganz ohne Holzkohle fehlt der Wurst doch irgendwie was...
Stefan am 15.06.06 13:18
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