Ich kann es kaum glauben: Der Zug mit der deutschen Nationalmannschaft fährt ein, die Masse jubelt und auf einem Transparent steht klar und deutlich „Wir grüßen die Weltmeister!“. Keine Sorge, weder halluziniere ich, noch habe ich zu tief ins Glas geschaut. Stattdessen ist die Generalprobe für das „Privat viewing“ im Garten unseres Mehrfamilienhauses erfolgreich über die Bühne gegangen. Beim Eröffnungsspiel wollen hier Hausbewohner und Freunde gemeinsam gucken, ob Ballack einem wirklich fehlt. Und weil beim Test unter Realbedingungen, also zur Anstosszeit gegen 18 Uhr, am Donnerstagabend auf keinem Fernsehsender Fußball zu sehen ist, haben wir zum Testen der Lichtverhältnisse „Das Wunder von Bern“ auf die Leinwand projiziert. Der einzige, zugegebenermaßen etwas unkritische Zuschauer des Testlaufs mit Bildern von 1954 ist begeistert. Ob ich am Freitagabend ähnlich hingerissen sein werde, hängt allerdings nicht nur von den Lichtverhältnissen ab...
Antrittsbesuch im FIFA-WM-Stadion Köln, Donnerstagnachmittag. Hier irgendwo soll ich mir meine Akkreditierung abholen. Mein erster Eindruck: Noch sind rund ums Stadion alle herrlich entspannt. Kein Wunder: Einen Tag vor Beginn der WM stehen pro doofe Frage ungefähr 1,4 Volunteers Rede und Antwort. Der Sicherheitsmann muss sogar ein bisschen grinsen, als ich frage, ob ich das Gelände auch mit dem Erfrischungsgetränk eines Nichtsponsors betreten dürfe. („Wenn das der Sepp B. wüsste“) Und meine Laune fällt nur kurzzeitig, als ich die elendig lange Schlange vor dem Service-Center entdecke. "Äkkräditäschn? Here along!" probiert ein Ordner seine Fremdsprachenkenntnisse an mir aus und lotst mich an den auf Rückläufer-Tickets wartenden WM-Fans vorbei.
"Sie brauchen nichts verstehen, folgen Sie einfach den Zahlen“, erklärt mir am Eingang des Akkreditierungscenters dann ein junger Mann das Verfahren, an dessen Ende Japaner, Russen, Angolaner und auch ich einen fast brustbedeckenden und mit Lichtbild versehenen Ausweis in Händen halten sollen.
Während ich darauf warte, dass mein Name in auf einem überdimensionalen Flachbildschirm auftaucht, damit danach ein Foto von mir geschossen wird, erzählt mir der junge Mann, warum er, wie tausende andere Helfer auch, freiwillig und unentgeltlich bei dieser WM arbeitet:"„Weil das Ehrenamt ausstirbt". Meinen Einwurf, dass die FIFA es aber doch eigentlich gar nicht nötig habe, Leute umsonst für sich arbeiten zu lassen, kontert er gelassen: "Na und? Ich wollte bei diesem Spektakel aber möglichst mittendrin dabei sein, da ist das hier doch die perfekte Möglichkeit.“ Ich höre auf, kritische Fragen zu stellen und werde schon drei Minuten später mit meiner WM-Akkreditierung belohnt.
Sind das die Lottozahlen auf dem A-Ausweis? Oder die Handy-Nummer von Blatter?
Frigo am 12.06.06 17:20
Hallo Frigo,
nee, die FIFA hat das gesamte Stadionareal in Zonen eingeteilt und - "Folgen sie den Zahlen" - mit Nummern versehen. In diesem Fall heißt das zum Beispiel: Domke darf ins Medienzentrum (7), aber nicht in die Umkleideräume (2).
Stefan am 13.06.06 11:26
Deutschland einig Vaterland: In Sachen WM doch keine Frage? Von wegen. Die nationale Mission WM-Titel wird sabotiert - von bajuwarischen Separatisten. Beim Abschlusstraining der Nationalelf in der Münchner WM-Arena komme ich mit einem ortsansässigen Steward (früher nannte man sie Ordner) ins Gespräch. Und der redet sich ohne Aufwärmtraining gleich in Rage: "Klinsmann hat uns die WM versaut. Weil er Kahn abgesägt hat. München ist Kahn-Stadt. Hier ist jetzt null WM-Stimmung. Wenn Deutschland im Finale gegen Brasilien, England oder wen auch immer spielt, halte nicht nur ich auf jeden Fall zu den anderen. Wir wollen auch nicht, dass der Klinsmann unseren Kaiser Franz vom Thron stößt und wie der als Spieler und Trainer Weltmeister wird."
War eine prima Idee, das Endspiel nach Berlin zu vergeben.
Das ist wirklich traurig.
Kein Wunder das alle Welt die Deutschen nicht mag.
Die Deutschen halten unter einander ja nicht mal zusammen.
Thomas am 09.06.06 00:03
So werden wir nie Weltmeister...
Thomas am 09.06.06 04:59
Hätte irgendwer etwas anderes erwartrt von den blau-weißen Fanatikern?
Eik schmerler am 09.06.06 08:50
Oh je die Bayern... das die immer was auszusetzten haben müssen.
Die sollen es dem Olli nachmachen.
Der hat ja mal wohl gezeigt das er ein guter Verlierer ist und eigentlich ist er der grosse Gewinner...
Er hält weiter zu der Mannschaft unterstütz diese und hilft wo er kann.
Respekt an Olli...
Mir wird er persönlich bei der WM auch fehlen aber es kommt wie es kommt.
Und das jetzt einzelen Personen so ein Aufstand machen, ist doch wirklich lächerlich.
Alle sollten einfach zu unserer Mannschaft halten, denen die Daumen drücken und eine tolle WM im eignen Land zu lassen.
Wann erleben wir das denn wieder? In 50 Jahren? Also Leute feiert, habt Spass und zeigt allen das wir auch stolz sein können und unserer Mannschaft die Daumen drücken.
Auf ein erfolgreichen Sieg heute.
:)
Anna am 09.06.06 08:50
Typisch!
So ein Schwachsinn kann nur von einem frustrierten ... kommen.
Das beste ist einfach ignorieren.
Ich bin auch Münchner. Aber ich stehe
voll - wie die fast alle Münchner - hinter UNSERER Nationalmanschaft. Und in der Münchner Innenstadt ist eine tolle Stimmung. Auch wenn ich den ein oder anderer lieber gesehen hätte.
Und...
Wir werden Weltmeister!
Dachs2006 am 09.06.06 10:18
Na bravo,
solche Leute braucht das Land! Ich stehe voll hinter Klinsmann, der bessere soll ins Tor und das ist derzeit definitiv Lehmann. Aber was macht der Stewart, wenn´s gegen Holland geht, der Rheumakai darf ja auch nicht mitspielen? Armes Deutschland! Alle Anderen wären froh solche "Probleme" zu haben, nur wir fangen deswegen gleich zu heulen an.
Frank K. am 09.06.06 13:37
Ja und jetzt? Das hat ein Münchner von sich gegeben.
München gehört auch zu Deutschland ;-) :-)
In diesem Sinne, eine schöne WM
Sira am 09.06.06 14:37
Vorsicht beim Sportschukauf. Ein Leser hat mir soeben diesen Link zugesandt. Ärzte aus Birminham haben demnach herausgefunden, dass das Tragen neuer Fußballschuhe sehr gefährlich sein kann. Entstehende Blasen an den Füßen können zum sogenannten "Toxic Shock Syndrome" führen, ein 13-jähriges Mädchen und ein elfjähriger Junge seien bereits erkrankt, nachdem sie ihre neuen Fußballschuhe getragen haben.
"Staphylococcus aureus" heißt das Bakterium, das für Fieber Erbrechen und Durchfall sorgt, nachdem man den neuen Schuh getragen hat. Was hat das Ganze mit der WM zu tun? Nun, Ronaldo konnte nicht am Training teilnehmen - Fieber.
Das ganze Land wurde in den letzten Monaten von den Medien und zahlreichen Werbekampagnen mental auf die WM 2006 vorbereitet. Aber nicht jeder mag Fußball und einige Leute werden ihren Sommerurlaub wohl zur "Flucht" ins Ausland nutzen, um dem WM-Trubel zu entkommen. Und die Fans auf Balkonien sind froh, dass es jetzt endlich losgeht.
Mein Kollege Volker ist nicht geflüchtet, er macht einfach Urlaub. Nachdem er letzte Woche unser redaktionsinternes Tippspiel eingerichtet hatte, ging es nach Frankreich. Das war zumindest mein letzter Kenntnisstand. Volker wird erst zum Achtelfinale wieder in Deutschland sein und ich werde ihn dann befragen, wie man Fußball mit Baguette und Rotwein erlebt und was die Franzosen zur WM sagen.
Ich bin wohl auch eher ein Flüchtling. Zwar bleibe ich daheim, jedoch werde ich mir diesen ganzen Kommerz nicht antun. Man kann Hamburg ja auch ohne Fußball genießen :-)
Claas am 09.06.06 10:09
Fußball-WM – das ist Sport und Kommerz. Allerdings, wenn ich so durch die Straßen Leipzigs gehe, dann schaut es fast so aus, als sei die richtige Reihenfolge erst Kommerz und dann Sport.
Aber da gibt es noch die Kultur: Ein Hoffnungsschimmer – sollte man denken! Der Leipziger Pop-Art-Künstler Michael Fischer-Art hatte eine Idee, die es zwar schon vorher so ähnlich an ganz verschiedenen Orten gab, die er aber nach seiner ganz speziellen Art umwandelte. Fischer-Art ist eben Pop-Art.
Genau zwischen dem Leipziger Hauptbahnhof und dem Zentralstadion gibt es drei Hochhäuser in denen keiner mehr lebt. Hässlich sehen sie aus. Nun packt Fischer-Art sie vollständig ein – und zwar in Pop-Art. Oder Pack-Art? Drei Plattenbauten hinter bunten Plakaten, das sieht sicherlich besser aus, als das langweilige Beige-Blau der Gebäude. Doch fällt es fast schwer, diese eingepackten Häuser von anderen Häusern zu unterscheiden, denn genau gegenüber ist beispielsweise eine Baustelle: Das Haus ist säuberlich eingepackt. Oder links daneben, da steht ein Haus mit Werbebotschaften auf der Bauplane. Und noch weiter links, da kann man die Kunst Fischer-Arts in einer Galerie übrigens käuflich erwerben.
Ok, ich will einmal das Positive sehen: Fischer-Art schenkt seiner Stadt zur Fußball-WM ein ganz artig ein Pop-Art-Denkmal. Das hat sicherlich nichts mit Kommerz zu tun, auch eigentlich nichts mit Fußball, das ist Kultur im Reinformat. Oder etwa nicht?
(Fortsetzung folgt am 26.06.06)
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hofft auf das WM-Finale zwischen Deutschland und Österreich. Das meldet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Wenn das so ist - da wünschen wir uns doch Türkei gegen Dänemark beim Spiel um Platz drei.
Glos hat sich bestimmt vertan: Er meinte "Bayern" gegen den Rest der Welt ...
F. Alonso am 08.06.06 21:15
Wo ist eigentlich die WM-Stimmung? Ich habe in der Fußgängerzone nachgefragt, habe in Mülleimern nachgeschaut und unter Fanutensilien gestöbert: Nichts! Nicht einmal unter dem neuen WM-Symbol der Stadt - der Stuhlskulptur, die den Schönen Brunnen verhunzt - war was zu finden. In Nürnberg ist die WM-Stimmung jedenfalls definitiv noch nicht angekommen. Naja, die Franken brauchen ja angeblich immer ein bisschen. Aber wenn sie erst mal auf Touren kommen ... lassen wir uns mal überraschen.
Oh nein, was jetzt? Der Kapitän spielt nicht mit, alle ändern wie wild nochmal ihre Tipps für morgen Abend (das muss ich übrigens auch noch machen, tippen, meine ich, nicht ändern...), aber wenigstens verbreitet der Bundestrainer weiterhin Optimismus. Nicht ganz unberechtigt - erinnern wir uns nur mal an die letzte WM, als ganz Großbritannien außer sich war, weil David Beckham sich den Metatarsal-Knochen im Mittelfuß gebrochen hatte.
Den Namen des "Täters" werden die Engländer wohl nie vergessen: der Argentinier Pedro Duscher war's, in einem Champions-League-Spiel zwischen Manchester United und Deportiva La Coruna. Die Nation fürchtete, Beckham würde deswegen bei der WM ausfallen und ließ sich allerlei Absurditäten einfallen, um ihn wieder fit zu kriegen. Ich glaube mich an Aufrufe erinnern zu können, man solle kollektiv Hände auf den Fernseh-Bildschirm auflegen, um dem Fuß heilende Ströme zukommen zu lassen. Die Boulevard-Presse forderte außerdem sämtliche Geistlichen des Landes auf, für die Heilung zu beten.
Was davon wirklich ausschlaggebend war, weiß man nicht - in jedem Fall war Beckham fit für das Auftakt-Spiel gegen Schweden. Außerdem gab es noch eine schöne Rache: Im Spiel gegen Argentinien machte Beckham den entscheidenden Elfmeter.
Also, ein bisschen mehr kollektive Spiritualität schadet sicher auch Michael Ballack nicht - vielleicht legen Sie einfach mal ihren Finger auf die "Wade der Nation" (rechts im Bild) ... und jetzt: Volle Konzentration!
Heile heile Segen, sieben Tage Regen... ;-) Für die "Wade der Nation" sollte man schon ein bisschen schlechtes Wetter in Kauf nehmen! Großartig, bin überzeugt, das wird helfen!
Julie Lüneburg am 08.06.06 15:28
Andi kommt nicht zur WM. Dabei wäre die WM doch die Gelegenheit schlechthin gewesen für ihn. Ich kenne kaum einen, der so fußballverrückt ist wie er – außer vielleicht den „bekloppten“ Jungs vom Altstadt-Kult. Vor acht Jahren ist Andi ausgewandert. Er hat eine Brasilianerin geheiratet und lebt seitdem im Stadtteil Copacabana (!) in Rio. Ich hätte wetten können, dass er sich Tickets aus dem Brasilien-Kontingent sichert. Aber Andi kommt nicht.
Dabei hat er, so lange er in Deutschland war, fußballtechnisch nichts ausgelassen. Kein Bundesliga- und Zweitliga-Stadion, das er nicht kannte. Unvergessen unser gemeinsamer Besuch des Länderspiels Deutschland gegen Brasilien 1993 im „Müngersdorfer Stadion“ in Köln, als er erstmals die Seiten wechselte. Nicht mehr den Deutschen drückte er die Daumen, sondern der „Selecao“. November war’s, saukalt, Block 23. Andi tanzte mit der Brasilien-Fraktion 90 Minuten lang Samba – auch dann noch, als Deutschland mit 2:1 gewonnen hatte (übrigens der letzte Erfolg einer deutschen Mannschaft gegen Brasilien).
Sein Schlachtruf damals: „Romario, Bebeto, Tetra!“ Was so viel ausdrücken sollte wie: Brasilien holt seinen vierten WM-Titel (tetra = vierfach)! Als der dann ein Jahr später unter Dach und Fach war, forderte Andi: „Romario, Bebeto, Ronaldo, Penta“ (= fünffach)!
Was er in diesem Jahr rufen würde? Ganz sicher: „Ronaldo, Ronaldinho, Adriano, Hexa!“ Aber Andi kommt nicht. Und ich vermisse es jetzt schon.
Der Münchner an sich ist wohl eher ein Sommermensch. Das Schmuddelwetter der vergangenen Tage hat die Straßen geleert, von WM-Stimmung war mangels Fans noch wenig zu spüren. Ganz langsam erwacht die Isarmetropole aber, mit jedem Sonnenstrahl, so scheint es, kommt ein bisschen mehr WM in die Stadt.
Costa Rica ist seit Mittwochabend da, per ICE traf Deutschlands Eröffnungsgegner am Münchner Hauptbahnhof ein. Gleich nebenan auf dem Marienplatz wird fleißig gewerkelt: Eine Bühne entsteht, das erste Testbild flimmert über die Großleinwand, ein paar Straßen weiter kicken Jugendliche in einer frisch installierten Streetfootball-Anlage. Vor dem Kaufhausschaufenster am Eck drängen sich die Fanmassen und drücken sich die Nase platt. Noch schnell ein Schnäppchen vor dem Eröffnungsspiel?
Fehlanzeige. Klinsmann spricht, die tägliche WM-Pressekonferenz. Und der Bundestrainer verkündet nichts Positives: Ballack fehlt beim Eröffnungsspiel. Eine dunkle Wolke im Münchner Sommererwachen.
Wir vertreiben uns die letzten Stunden bis zur WM mit dem Auswendiglernen der 736 gemeldeten Spieler. Schön oder skurril - hier die Höhepunkte der Meldeliste, unsere Top Ten der Namen:
1. Kategorie „Albtraum aller Kommentatoren“: Sohrab Bakhtiarizadeh (Iran) und Oleksandr Shovkovskiy (Ukraine)
2. Für alle Dreijährigen ein echter Brüller: Kaka (Brasilien)
3. Klingt nach sympathischem Außenseiter aus einer Comic-Serie: Fred (Brasilien)
4. Für Leute, die sich eher Gesichter als Namen merken können: fünf Lees und acht Kims im Team Südkorea
5. Sieger in der Rubrik schönste Botschaft im Namen: Love Cabungula (Angola)
6. Leider in der falschen Sportart gemeldet: Razak Pimpong (Ghana)
7. Größte Bürde berühmter Namensgeber: Jesus Arellano (Mexiko)
8. Kommen in allen Namenswitzen Pubertierender vor: Mark van Bommel (Niederlande) und Tony Popovic (Australien)
9. Nomen est Omen? Petit (Portugal)
10. Die meisten Vokale (zehn): Ouro-Nimimi Tchagnirou (Togo), gefolgt von Jan Vennegoor of Hesselink (Niederlande).
Übrigens, alle Kader zum Nachlesen gibt es in der Spielerdatenbank bei sport.ARD.de.
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