Mitten auf der Piazza della Republicca, einer der großen Plätze in Florenz, bietet ein Händler Fußballtrikots zum Verkauf. Er hat die Leibchen säuberlich aufgereiht. Das ist ein schönes buntes Bild, und wir schauen es uns genauer an, schließlich sind wir des Fußballs wegen in Florenz. Raul und Baros lesen wir. Zidane prangt dort in blau, van Basten in schwarz-rot - kennen wir natürlich alle. Ein bisschen stolz sind wir, dass in Kahn wenigstens ein Deutscher vertreten ist. Gab halt schon mal bessere Zeiten.
Dann fällt der Blick nach rechts unten. Hübner steht dort in weißer Schrift auf rotem Stoff. Hübner? Wer bitte ist Hübner? Hübner, Hübner - nie gehört. Wir ziehen etwas verstört von dannen, aber Hübner lässt uns keine Ruhe. Im Hotel fahren wir den Computer hoch und kommen mit Hilfe der Suchmaschine dem Rätsel auf die Spur: Stefan Hübner, Volleyball-Nationalspieler und sogar einer der besten in Europa. Es dämmert sogar ein wenig. Hübner, so ein prominenter Name verkauft sich natürlich gut im Volleyball-verrückten Italien. Wir bitten jedenfalls um Verzeihung, Herr Hübner, da hatten wir mal wieder die Fußballbrille auf.
Irgendwie muss man Michael Ballack ja dankbar sein - oder dem FC Chelsea - oder der "Daily Mail". Seitdem das englische Revolverblatt die angebliche Vertrags-Unterschrift unseres "Capitano" beim Geld-verjubel-Klub rausgehauen hat, ist das Thema Wörns "Gesabbel" von gestern. "Stellen Sie sich vor: Sie sind heute aufgewacht und schon um 26.000 Euro reicher - und das Tag für Tag, vier Jahre lang", schreibt die "Bild" mit neidischem Blick auf Ballack. Zum Vergleich: Christian Wörns wacht jeden Morgen auf, hört seine Mailbox ab, lauscht ab und an dem Bundestrainer und muss dafür noch zahlen - im schlimmsten Fall zwölf Cent die Minute.
Aber ganz so "husch husch" wollen wir den guten, nein nicht mehr "gut genugen" Christian Wörns aus der Nummer nicht rauslassen. Zumindest eine kurze Quintessenz der Ereignisse ist - quasi als Nachruf - von Nöten. Wörns also beharrt darauf, dass Klinsmann nur "Gesabbel" auf seiner Mailbox hinterlassen habe. Klinsmann nimmt Wörns dessen anschließendes "Gesabbel" krum, und die Nationalelf hat jetzt einen Verteidiger weniger - wobei, wann hat Wörns eigentlich sein letztes Länderspiel gemacht?
Gesabbel hin, Gesabbel her. Richtig und wichtig ist der Kommentar von Günter Netzer, der nichts vom E-Mail und Mailbox-Verkehr im Hause Klinsmann hält. Wichtige Dinge müssten in offenen Gesprächen geklärt werden. Stimmt, und das wusste übrigens auch schon Rocky Balboa, den Klinsmann sich durchaus zum Beispiel nehmen darf. "Ich ruf Dich an", hat Rocky zu seiner Adrian gesagt. Und was macht der Kerl ohne E-Mail und Mailbox, er reißt das Fenster auf und "telefoniert" durch die Nacht - "Adriaaaaan, Adriaaaan". Hat funktioniert! Und wenn Klinsmann meint, er müsse in Amerika wohnen, dann soll er halt ein wenig lauter schreien.
Woran ich sofort merke, dass ich in Italien bin? Klar: An den sandstein-farbenen Häuserfassaden mit den Holzrolladen und auch ein bisschen an den Strahlen der toskanischen Sonne, die uns bei der Ankunft empfingen. Aber vor allem merke ich es an den unzähligen Vespas, die durch Florenz knattern. Jeder Florentiner scheint mindestens zwei von den flinken Flitzern zu besitzen. Lang aufgereiht stehen sie am Straßenrand oder rasen durch die Gassen, dass man besser zweimal hinsieht, wenn man die Straße überquert.
"In den historischen Zonen der Stadt sind Autos tabu, da kommt man nur mit den Vespas hin", erklärt Ursula Winkler, unsere Fremdenführerin. Die Liebe der Florentiner zu ihren berühmten Rollern, die nur 60 Kilometer entfernt in Pontedera hergestellt werden, hat gelitten, seitdem vor einigen Jahren die Helmpflicht eingeführt wurde. Sie meiden ihre Vespas nun immer öfter, sagt Frau Winkler. Mir fällt auf: Äußerlich haben die Vespas längst nicht mehr den Charme ihrer Vorgänger-Modelle. Fremdenführerin Ursula ist ebenfalls schon umgestiegen. "Ich fahre nur noch Fahrrad", sagt sie. Und wer weiß: Vielleicht wird aus Italien noch ein zweites Holland.
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