Willkommen im Sponsoren-Dorf! In der Glashalle der Leipziger Messe haben die wichtigsten WM-Geldgeber ihre Informationsstände aufgebaut und verteilen kalte Brause-Flaschen oder Obst-Tütchen. Auch die zwölf WM-Städte sind mit je einem Stand verteten. Und jede Stadt sollte sich offensichtlich etwas Lustiges für die obligatorische Stand-Vitrine einfallen lassen.
Kaiserslautern hat eines der wichtigsten Dokumente - nach der Unabhängigskeitserklärung auf Staten Island - ausgegraben und kopiert: einen Vertrag von Fritz Walter aus dem Jahr 1955. Wollt Ihr mal wissen was der Fritz verdient hat? 120 Mark Grundgehalt im Monat, und "je nach gezeigter Leistung" noch einmal 120 Mark an Extra-Prämie. Michael Ballack hat beim DFB übrigens 300.000 Euro für jeden Nationalspieler ausgehandelt - sollte Deutschand Weltmeister werden. Fritz Walter hat '54 immerhin 1.250 Mark vom Verband bekommen, plus einen Fernseher. Naja, das mit der Weltmeisterschaft hat er immerhin geschafft.
Am Hamburger Stand steht eine Autogrammkarte von Uwe Seeler in der Vitrine. München hat eine Maßkrug-Pyramide aufgebaut. Und Nürnberg hat etwas total Abgefahrenes "aufgetischt": "Drei im Weggla (three in a bun)" heißt die Skulptur. Zu sehen sind drei Nürnberger Wüstchen in Kunstharz für die Ewigkeit konserviert.
Zum Schluss stand ich vor dem Stand der Kölner. Der Dombaustein mit zwei spielenden Kindern war ja ganz nett, aber dann stürzte der Marketing-Mensch auf mich zu und hing mir doch tatsächlich einen "E-Fastlovendfoßballspill-Karneval-in-Köln-Schal" um den Hals. Steht mir als Mönchengladbacher natürlich besonders gut (Ja ja, ich weiß, Ironie funktioniert ohne Mimik nicht). Will den jemand haben?
Heidi kommt, Ballack kommt, Cruyff kommt, Pelé kommt, der Kaiser sowieso - und alle wollen dabei sein. Die Schwarzmarktpreise für die Auslosungsgala sind Gerüchten zufolge bereits in astronomische Höhen geschossen. Zwischen 500 und 1.000 Euro soll ein Ticket auf dem illegalen Wege kosten.
Die meisten der Gäste müssen natürlich nichts zahlen. OK-Vize Wolfgang Niersbach hat gerade einen Blick in die Gästeliste geworfen. 31 der 32 qualifizierten Trainer haben sich ankündigen lassen. Von Bruce Arena bis Marco van Basten. Wer fehlt? Argentiniens José Néstor Pekermann! "Was ist Pekerman" hat sich Argentiniens Trainerlegende César Luis Menotti vor knapp einem Jahr angesichts der Berufung des bis dahin völlig unbekannten Trainers gewundert. "Wo ist Pekermann" am Freitag? Niersbach: "Ich weiß es nicht!"
Psst, da ist er - der Franz ist da! Ich schleiche gerade durch die Messehallen und bin in eine Pressekonferenz mit Franz Beckenbauer geschneit. Gerade läuft ein Film über die große "Welcome Tour" des Kaisers auf der großen Videoleinwand.
Beckenbauer mit dem Papst, Beckenbauer mit Ali Daei, Beckenbauer mit Oleg Blochin und Hollands Kronprinzen Willem-Alexander. "Das ist der Höhepunkt in meinem Leben", sagt Franz immer wieder und überall auf der Welt.
Der Film ist aus. "Das war kein Urlaub. Ich war mehr in der Luft als am Boden", lacht der Kaiser. Und allen hätte er immer das gleiche erklären müssen: "Sorry, aber es gibt nicht mehr Tickets. Wir haben keine Stadien für 200.000 oder 300.000 Leute".
Apropos Stadien - jetzt spricht DFB-Vize Horst. R. Schmidt. "Ich möchte mal eine Lanze für unsere Stadien brechen. Wir werden WM-Stadien von hervorragender Qualität haben." Den Kommentar zu den "kleinen Pannen" in Kaiserslautern und Frankfurt hat Franz Beckenbauer schon gewohnt charmant abgegeben: "Ja mai, wenn man was neu baut..."
Wolfgang Tiefensee, seines Zeichens Leipzigs Ex-OB und neuer Bundesverkehrsminister, hatte ja versprochen, dass die Taxifahrer der Stadt in dieser Woche ihr Englisch und Französich aus der Kiste kramen. Und tatsächlich, wer es kann, macht mit. Heute ist sogar die Leipziger Volkszeitung viersprachig erschienen.
"Football & News", "Football & Actualités", "Fútbol & Noticias" heißt es auf Seite eins. Weiter hinten erfährt der Auslosungsgast aus Babylon dann folgendes: "Germany is threatened with extremly difficult group" und "L'Allemagne menacée par un groupe redoutable" oder "Alemania posiblemente en un grupo complicado".
Na, Gott sei Dank sagt unser sprachgewandter Bundestrainer in allen drei Artikeln auch folgendes: "Klinsmann: 'Pas de panique' und "Klinsmann: 'nada que temer' oder "Klinsmann: 'No need to be scared'"
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