Paris ist nicht Paris. Überall stehen Polizisten und die Anspannung ist an jeder Ecke zu spüren. Ich möchte keinen falschen Eindruck erwecken - augenscheinlich ist es friedlich im Zentrum, potenzielle Randalierer sind absolut nicht auszumachen - aber einen lächelnden Menschen sieht man auf den Straßen ebenfalls so gut wie gar nicht. Denn zum ersten Mal werden heute Abend auch Krawalle im Herzen der Metropole befürchtet. Landesweit wurden in der vergangegen Nacht nach Polizeiangaben erneut 502 Fahrzeuge in Brand gesetzt.
Die Regierung hat deshalb seit 10 Uhr heute Morgen und noch bis morgen früh um 8 Uhr ein Versammlungsverbot für das Zentrum verhängt. 20 Meter von meinem Hotel entfernt stehen seitdem Polizisten, die penibel genau darauf achten, dass nie mehr als drei oder vier Passanten beieinander stehen. Mehrere kleine Gruppen von Jugendlichen wurden bereits aufgefordert in verschiedene Richtungen auseinander zu gehen. Bei Verstößen gegen das Versammlungsverbot drohen bis zu zwei Monaten Gefängnis und 3.750 Euro Bußgeld.
Viele Fans aus Deutschland haben sich trotzdem nicht abschrecken lassen und sind an die Seine gekommen. Wie vor jedem Länderspiel sieht man lauter schwarz-rot-gold-geschminkte Gesichter in der Stadt. Noch einmal: Augenscheinlich ist es momentan sehr friedlich in der Innenstadt. Hoffentlich bleibt es auch so!
Es regnet und es ist kalt in Paris. "Richtig uselig" wie wir am Niederrhein sagen. Das Beste was du da tun kannst, ist dich in eine Brasserie zu setzen und ausgiebig zu frühstücken. Beim zweiten Café au lait ist mir Jens Lehmanns Auftritt gestern auf der Pressekonferenz noch einmal durch den Kopf gegangen.
Die Aufgabe einer Fußballmannschaft sei es die Leute zu begeistern, hat er gesagt. Daheim bei ihm in London würden die Leute oft tagelang von einem 5:3 schwärmen. Ein 1:0 wolle keiner sehen. "Die Leute wollen keine Langweiler mehr", meint Lehmann. Bemerkenswert wenn so eine Aussage von einem Torhüter kommt, der doch eigentlich daran gemessen wird, dass er seinen Kasten sauber hält.
Werder Bremen sei ein Paradebeispiel für spektakulären Fußball, sagt Lehmann. Und dass in Italien, dem Land des 1:0, derzeit die Zuschauer weglaufen, unterstreicht die These.
Aber was wollte uns Lehmann eigentlich wirklich sagen? War das ganze kurz vor der nahenden Entscheidung im Boxkampf um die Nummer eins im Tor etwa ein geschickter Sprung in die "richtige Ecke". Olli Kahn jedenfalls würde eher zum Cricket wechseln als freiwillig drei Gegentore zu schlucken, selbst wenn seine Stürmer auf der anderen Seite fünf Tore schießen. Jürgen Klinsmann aber hätte vermutlich Spaß an so einem Ergebnis. Auch an Torhütern die seine Fußball-Philosophie teilen?
Ja, es wird spannend im Ring. Die letzte Runde ist eingeläutet.
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